Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Liebste?« raunte Meh. »Du wirst außer Atem kommen, ich fürchte, du strauchelst, halt ein, geh sorgsam um mit der Flamme!«
Aber Peteprê's Erste und Rechte erwiderte abgerissen:
»Rennen muß ich, nur rennen und laufen und atemlos stürmend diese Besteigung vollziehen – hindere mich nicht, der Geist befiehlt es mir, Meh, und so muß es sein, daß wir rennen!«
Dies keuchend mit aufgerissenen Augen schwang sie die Leuchte über dem Kopf, so daß vom gepichten Flachs einiges feurig abstob und die auch ganz atemlose Mitläuferin erschrocken nach dem kreisenden Stiele griff, ihn ihr zu entwinden, was Mut nicht leiden wollte, wodurch die Gefahr sich vergrößerte. Dies war schon auf der Oberstiege zum Dach, und Mut strauchelte wirklich hier infolge des Handgemenges und wäre gestürzt, wenn Meh sie nicht in ihre Arme gefaßt hätte; und so taumelten die Frauen, umschlungen und mit den Leuchten fuchtelnd, durch die schmale Schwellentür oben hinaus auf die nächtige Dachfläche.
Wind empfing sie und die rauhe Stimme der Priesterin, die hier schon regierend das Wort führte. Sie führte es unausgesetzt von da an, ohne zu schweigen, großsprecherisch, eigenmächtig und grob, und in ihr Bramarbasieren mischte sich manchmal aus der gebleichten Wüste des Ostens das Heulen von Schakalen, ja auch von fernher das dumpf schütternde Gebrüll eines schweifenden Löwen. Der Wind wehte von Westen, von der schlafenden Stadt, dem Strome her, in dem silbern zuckend der hohe Mond spielte, vom Totenufer und seinen Bergen. Er verfing sich fauchend in den nach dieser Seite offenen Windkaminen hier oben, bretternen Schirmdächern, bestimmt, kühle Luft in das Haus zu leiten. Auch ein paar kegelförmige Kornbehälter gab es noch auf der Fläche, aber heute noch mehr der Dinge und Vorkehrungen, außer diesen gewöhnlichen: Zubehör der vorhabenden Handlung, darunter solches, um dessentwillen es gut war, daß ein Wind wehte; denn auf Dreifüßen sowohl wie am Boden lagen Stücke bläulich faulenden Fleisches, die stinken wollten und es, wenn der Wind aussetzte, sofort auch taten. Was sonst noch da war und sich vorbereitet fand zur trüben Begehung, hätte ein Blinder erfahren und mit dem innern Auge gesehen, oder ein solcher, der sich nicht umgeblickt und nichts hätte sehen wollen, wie Mut-em-inet, die jetzt und später nur immer mit halb geöffnetem, nach unten gebogenem Munde und aufgesperrten Augen schräg aufwärts ins Leere starrte. Denn Tabubu, schwarz-nackt bis zum Gürtel, um den Kopf graue Zotteln, in welchen der Wind wühlte, gegürtet unter den Vettelbrüsten mit einem Ziegenfell (und so angetan war auch ihre junge Gehilfin), sprach alles aus, was da war, mit beweglichem Klatschmunde, worin zwei Raffzähne einsam standen, und führte es marktschreierisch an nach Namen und Nutzung.
»Da bist du, Weib!« redete sie im Hantieren und Weisen, als ihre Herrin aufs Dach taumelte. »Willkommen Schutzflehende, Verschmähte du, arme Lechzerin, Schale, der sich der Stein versagt, verliebte Trulle, tritt hin zum Herde! Nimm, was man dir darreicht! Nimm Salzkörner in die Hand und häng’ dir Lorbeer ans Ohr, dann hocke nieder am Herd, er lodert im Winde aus seinem Loch; zu deinem Frommen lodert er, Jammerbild, daß dir in bestimmten Grenzen geholfen werde!
Ich rede! Ich redete schon hier oben und herrschte als Priesterin, ehe du kamst. Nun rede ich fort, rede laut und gewöhnlich, denn Zimperlichkeit taugt nicht, solange man mit dieser da ringt, unschamhaft muß man die Dinge bei Namen nennen, weshalb ich denn dich auch, Flehende, laut einen Schmachtfetzen nenne und eine verschmähte Urschel. Sitzest du, dein Salz in der Faust und den Lorbeer am Ohr? Hat auch deine Gesellin das ihre und kauert sie bei dir am Altar? Auf denn für uns zum Opferdienst, Priesterin und Ministrantin! Denn gerüstet ist alles zum Mahl, so Schmuck wie tadellose Geschenke.
Wo ist der Tisch? Er ist, wo er ist, gegenüber dem Herde, schicklich geschmückt mit Laub und Zweigen, Efeuzweigen und Blattgetreide, das sie liebt, die Geladene, die schon sich Nähernde – Hülsendunkel, verschließend die mehligen Kerne. Darum kränzt es den Tisch und schmückt die Ständer, auf denen lockend die Zehrung stinkt. – Lehnt das morsche Steuer am Tisch? – Es lehnt. – Und andererseits, was bemerkt man? – Einen Balken bemerkt man dort vom Kreuz, auf das man den Missetäter erhöht, – zu deinen Ehren, du Wüste, die sich gerne an Verworfene klammert, und zu deinem
Weitere Kostenlose Bücher