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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ans goldene Zeitalter. Die göttliche Schleppmannschaft zog bekränzt, mit Öl gesalbt und schwer betrunken durch die Straßen und durfte so ziemlich anstellen, was sie wollte.
    Das leere Haus
    Es war notwendig, den Verlauf des Opetfestes und des Tages der amtlichen Nilschwelle, wenn auch nur in losestem Umriß, zu schildern, um die Hörerschaft mit dem öffentlichen Rahmen vertraut zu machen, in welchem die Hochstunde unserer Geschichte, der privaten und eigentlichen, sich abspielte. Die großzügigste Kenntnis dieses Rahmens genügt, um zu verstehen, wie sehr in Anspruch genommen Peteprê, der Höfling, an diesem Tage war. Befand er sich doch im nächsten Gefolge Seiner Majestät, des Hors im Palaste, der an keinem der Tage und Über-Tage so viele päpstliche Pflichten zu erfüllen hatte wie heute, – in seinem nächsten, sagen wir, nämlich unter den einzigen Freunden des Königs. Denn an diesem Neujahrsmorgen war seine Erhebung in den seltenen Hofrang Wahrheit geworden: unter Anreden, die er wirklich gern gelesen, war die Beförderung erfolgt. – Den ganzen Tag war der Titeloberst außerhalb seines Hauses, das übrigens entleert war, wie alle Häuser der Hauptstadt, von seinen Bewohnern; denn, wie wir hervorhoben, waren überall nur reglose Krüppel und dem Tode ganz Nahe in den Häusern zurückgeblieben. Zu den letzteren rechneten sich die heiligen Eltern im Oberstock, Huij und Tuij: ihr Weg führte unter keinen Umständen mehr weiter als bis zur Aufschüttung des Gartens und zum Lusthäuschen daselbst, ja, auch so weit nur selten noch. Denn daß sie überhaupt noch lebten, grenzte an Unnatur; schon vor zehn Umläufen hatten sie stündlich mit ihrem Verseufzen gerechnet, und nun kröpelten sie immer noch so dahin, Erdmaus und Sumpfbiber, mit ihren Blindritzen sie und er mit seinem Altsilberbärtchen, im Dunkelgehäuse ihrer Geschwisterschaft, sei es, weil überhaupt manche Alten immer weiter leben und den Tod nicht finden, unkräftig, zu sterben; sei es, weil sie sich fürchteten vorm Unteren König und den vierzig gräßlich Benannten von wegen schnitzerhafter Versöhnungstat.
    Sie also waren zu Hause geblieben im Oberstock nebst ihrer kindlichen Bedienung, zwei törichten kleinen Mädchen, welche die früheren ersetzt hatten, als diese durch die Zeit zu unzart geworden; und sonst waren Haus und Hof ausgestorben wie alle anderen. – Waren sie das? – Man ist genötigt, die Behauptung ihrer Entleertheit noch um ein Weniges, aber Wichtiges weiter einzuschränken: Auch Mut-em-inet, Potiphars Erste und Rechte, hütete das Haus.
    Wie sehr befremdet das den mit dem Tagesrahmen Vertrauten! Sie nahm nicht teil am schönen Dienst ihrer Schwestern, der Amunskebsen. Nicht wiegte sie sich im Tanz, auf dem Haupte Hörner und Sonnenscheibe, im Engkleide Hathors, ließ nicht zum Klange der Silberrassel die beliebte Stimme ertönen. Sie hatte der Oberin abgesagt und sich entschuldigen lassen bei des Ordens hoher Protektorin, Teje, dem Gottesweibe, und zwar mit demselben Zustand, den einst Rahel vorgeschützt hatte, als sie auf den in der Kamelsstreu versteckten Teraphim saß und nicht aufstehen wollte vor Laban: Sie sei unpaß, hatte sie sagen lassen, im diskret zu verstehenden Sinn, unglücklicherweise gerade auf diesen Tag; und die hohen Damen hatten für diese Verhinderung mehr Verständnis gezeigt, als Potiphar, dem sie es auch gesagt, und der sich aus Mangel an Fühlung mit dem Menschlichen ganz ähnlich begriffsstutzig gezeigt hatte, wie seinerzeit Laban, der Plumpe. »Wieso denn unpaß? Hast du Zahnweh oder Vapeurs?« hatte er mit einem töricht medizinischen Ausdruck der vornehmen Gesellschaft für eine launenhafte Verstimmung des Allgemeinbefindens gefragt. Und da sie ihm endlich die Sache nahe genug gelegt, hatte er sie nicht als Hinderungsgrund anerkennen wollen. »Das zählt nicht«, hatte er gesagt, ganz wie Laban, wenn man sich erinnert. »Es ist keine Krankheit, die sich sehen lassen kann und derentwegen man absagt beim Gottesfeste. Halb tot noch würde manch eine sich hinschleppen, um nicht zu fehlen, du aber willst ausbleiben wegen einer solchen Normalität und Richtigkeit.« – »Es muß nichts Unnatürliches sein, mein Freund, mit einem Leiden, damit es uns zusetze«, hatte sie ihm geantwortet – und ihn dann vor die Wahl gestellt, ihr entweder fürs öffentliche Fest oder für die Privatgasterei und engere Geselligkeit Dispens zu geben, womit hier im Hause der Neujahrstag beschlossen und des

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