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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Kämmerers Ernennung zum »Einzigen Freunde« gefeiert werden sollte. Beides, erklärte sie, sei ihr zu bestehen unmöglich. Gehe sie zum Gottestanz in ihrer Verfassung, so werde sie am Abend eine Gebrochene sein und meiden müssen das Hausvergnügen.
    Verdrossen hatte er schließlich eingewilligt, daß sie sich tagsüber schone, um abends die Wirtin zu machen, – verdrossen, weil ahnungsvoll, wir können es mit Bestimmtheit versichern. Es war ihm nicht wohl, es war dem Höfling nicht im geringsten zutraulich zu Sinn bei diesem einsamen Zurückbleiben der Frau in Haus und Hof wegen angeblicher Unmusternheit; er sah es nicht gern, mit allgemein üblem Vorgefühl sah er es – für seine Ruhe und die Sicherheit des Geistesbannes, in dem das Haus ruhte, und kehrte denn auch früher schon, als es seiner Abendgesellschaft wegen notwendig gewesen wäre, vom Gottesfeste zurück, die gewohnte und zuversichtlich geäußerte, im Grunde aber bange Frage auf den Lippen: »Steht alles wohl im Hause? Die Herrin ist heiter?«, – um denn nun diesmal endlich eine heimlich schon immer gewärtigte, schreckliche Antwort darauf zu erhalten.
    Wir greifen vor mit diesen Worten, weil man es, um mit Renenutet, der Rindervorsteherin, zu reden, ja ohnehin schon weiß und von Spannung höchstens in Hinsicht auf nähere Einzelheiten die Rede sein kann. Es wird auch niemandem eine Überraschung bereitet mit der Angabe, daß an Peteprê’s Verdrossenheit und Unruhe der Gedanke an Joseph teilhatte, und daß er sich im Zusammenhang mit der Unpäßlichkeit und dem Zurückbleiben seines Weibes innerlich umsah nach ihm und seinem Verbleiben. Das tun auch wir, indem wir uns, nicht ohne Sorge um die Widerstandskraft der sieben Gründe, erkundigen, ob auch er etwa zu Hause geblieben war? –
    Er war es nicht; es wäre ganz untunlich für ihn gewesen und hätte zu seinen Gewohnheiten und Grundsätzen in aufsehenerregendem Widerspruch gestanden. Man weiß, wie der ägyptische Joseph, seit zehn Jahren entrückt ins Totenland, ein eingefleischter Ägypter mit seinen siebenundzwanzig – nach seiner bürgerlichen, wenn auch nicht nach seiner geistlichen Person – und schon seit dreien davon mit einem ganz ägyptischen Leibrock bekleidet, so daß die Joseph-Form nunmehr von ägyptischem Stoff bewahrt und bestritten wurde, – man weiß, wie er, angepaßt, wenn auch innerlich abgerückt, ein Kind und Mitbewohner des ägyptischen Jahres, seine schrulligen Bräuche und Götzenfeste freundlich-weltläufig, wenn auch mit Maß und einiger Ironie, mitfeierte im Vertrauen auf das Augenzudrücken des Mannes, der das Kalb auf diesen Acker gebracht. Das Neujahrsfest, der große Amunstag vor allem war solch ein Anlaß zur Leutseligkeit, zum Leben und Lebenlassen; Jaakobs Sohn beging ihn wie irgendeiner hier unten, im Feierkleid unterwegs von morgens an, ja, indem er – andeutungsweise, dem Volksbrauch zu Ehren und um eben dabei zu sein – sogar ein wenig über den Durst trank. Dies aber erst später am Tage, denn anfangs hatte er dienstliche Pflichten. Als Hausmeier eines Groß-Titelträgers nahm er im Gefolg des Gefolges am Königszuge vom westlichen Hause des Horizontes nach Amuns Großer Wohnung teil und fuhr mit im Wasserzuge von dort zum Opettempel. Die Rückreise der göttlichen Familie besaß nicht mehr ganz die Genauigkeit der Fahrt stromaufwärts; man konnte sich allenfalls davon drücken, und Joseph verbrachte den Tag, wie Tausende es taten, als schlendernder Neugieriger und Hospitant bei allerlei Tempelmessen, Opferschmäusen und Gottestheaterspielen – allerdings in dem Gedanken, daß er rechtzeitig vor Abend, eigentlich schon am späteren Nachmittag, vor allem übrigen Gesinde, wieder zu Hause sein müsse, um seiner Pflicht als Wirtschaftshaupt und verantwortlicher Mann des Überblicks zu genügen und sich im langen Anrichteraum (wo er einst vom Schreiber des Schenktisches das Labsal für Huij und Tuij in Empfang genommen) und im Saale der Gästespeisung von der Bereitschaft des Hauses zur Neujahrsgeselligkeit und Beförderungsfeier zu überzeugen.
    In seinen Gedanken und Absichten legte er Wert darauf, diese Kontrolle und Nachprüfung allein, ungestört, im noch leeren Hause zu tätigen, bevor noch das ihm unterstellte Personal, Schreiber und Diener, vom Feste heimgekehrt wäre. So, urteilte Joseph, gehöre es sich, und zur Begründung und Stütze seines Entschlusses bewegte er Sittensprüche bei sich, die es eigentlich gar nicht gab, sondern die er

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