Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Verfassern hatten: ein Hochgenuß für alle, die es hörten.
Dies war nur der erste Akt des Festes, das unablässig an Schönheit zunahm. Denn nun ging es zum Nil mit der Heiligen Dreiheit, deren Boote wieder emporschwebten auf den Schultern von je vierundzwanzig Spiegelköpfen; und Pharao ging aus Sohnesbescheidenheit wie ein Mensch zu Fuß hinter dem seines Vaters Amun.
Die ganze Menge warf sich gegen den Fluß, den Zug der drei Gottesgruppen umdrängend, den vorn, gleich hinter den Bläsern und Trommlern, der Erste der Hausbetreter, Beknechons, im Leopardenfell, führte. Gesänge stiegen, es quoll der Weihrauch, die Hochwedel fächelten. Zum Ufer gelangt, nahmen drei Schiffe die heiligen Barken auf, – breit und lang, von strahlender Schönheit eins wie das andere, aber das unbeschreiblichste war Amuns Schiff, aus Zedernholz, das Retenu’s Fürsten im Zederngebirge hatten schlagen und selbst – so sagte man – über die Berge ziehen müssen – mit Silber beschlagen, ganz golden der große Thronhimmel in seiner Mitte wie auch die Flaggenmaste und Obelisken davor, geschmückt mit schlangenbewehrten Kronen am Vorder- und Hintersteven und besetzt mit mancherlei Seelenfigürchen und heiligen Bedeutsamkeiten, von denen das Volk die meisten schon lange selbst nicht mehr kannte, noch zu erklären gewußt hatte, so furchtbar alt übermacht waren diese Sinnigkeiten, was aber die Ehrfurcht vor ihnen wie auch die Freude daran nicht abschwächte, sondern verstärkte.
Die Prunkschiffe der Großen Dreiheit waren Schleppkähne, die nicht selbst gerudert, sondern von leichten Galeoten und einer Mannschaft am Ufer in Tau genommen und nilaufwärts zum Südlichen Frauenhause gezogen wurden. Zur Schleppmannschaft zu zählen war eine große Gunst, aus welcher ein Mann das folgende Jahr hindurch praktische Vorteile zog. Ganz Wêse, ausgenommen Todkranke und völlig Altersgebrechliche (denn die Säuglinge wurden von ihren Müttern auf dem Rücken oder an der Brust getragen) – eine gewaltige Menschenmenge also wälzte sich mit den Schleppern am Ufer hin, den göttlichen Schiffszug begleitend und auch selbst zum Zuge geordnet. Ein hymnensingender Amunsdiener führte sie an; Soldaten des Gottes folgten mit Schild und Wurfkeule; bunt aufgeputzte Neger, von Lachsalven begrüßt, tanzten trommelnd, Fratzen schneidend und allerlei teilweise unflätige Späße treibend hinterdrein (denn sie wußten sich verachtet und benahmen sich närrischer, als es in ihrer Natur lag, um den grotesken Vorstellungen zu schmeicheln, die das Volk von ihnen hegte); musizierende Hausbetreter beiderlei Geschlechts, die Daumenklappern und Sistren rührten, girlandenumwickelte Opfertiere, Streitwagen, Standartenträger, Lautenspieler, höher graduierte Priester mit Dienerschaft reihten sich an, und singende, im Takt in die Hände klatschende Stadt- und Ackerbürger zogen mit.
So ging es in Freuden und Jubel zum Säulenhause am Fluß, wo die Gottesschiffe anlegten, die heiligen Barken wieder geschultert und in neuer Prozession, beim Klange der Trommeln und Langtrompeten ins herrliche Haus der Geburt getragen wurden, empfangen und eingeholt unter Knixen, Leibeswindungen und Zweiggewedel von Amuns irdischen Nebenfrauen, den Damen vom Hohen Hathorenorden in Dünngewändern, die nun vor dem Hochgemahl (nämlich vor dem gewickelten Hockepüppchen in seiner verhüllten Kajüte) tanzten, Handpauken schlugen und sangen mit allseits beliebten Stimmen. Es war der große Neujahrsbesuch in Amuns Harem, gefeiert mit reichster Bewirtung, mit gehäuften Darbringungen an Nahrung und Trankspenden, mit unendlichen Ehrungen und sinnschweren, wenn auch großenteils von niemandem mehr verstandenen Förmlichkeiten im Innersten, Inneren und Vor-Inneren des Hauses der Umarmung und Niederkunft, in seinem von bunten Senkreliefs und Schriftgeraune erfüllten Gemächern, seinen rosengranitenen Papyrus-Säulengängen, silberbelegten Zelthallen und volksoffenen Statuenhöfen. Bedenkt man, daß gegen Abend der Gotteszug so glänzend und jubelnd, wie er gekommen, auch wieder zu Wasser und zu Lande nach Karnak zurückkehrte; nimmt man hinzu, daß in allen Tempeln die Schmausereien, der Jahrmarktsbetrieb, die Volksbelustigungen und Theaterspiele, wobei Priester in Maskenköpfen Göttergeschichten zur Darstellung brachten, den ganzen Tag kein Ende nahmen, so macht man sich ein Bild von der Schönheit des Neujahrstages. Am Abend schwamm die Großstadt in Sorglosigkeit und bierseligem Glauben
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