Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
behördliche Ausdruck lautete, und Amun seinen berühmten Festzug antrat auf dem Nil zum Opet resit, dem Südlichen Frauenhaus – da war die Stadt noch frischäugig und jubelzüchtig, in froher Andacht und frommer Schaulust empfänglich für den sich entfaltenden Staats- und Gottesprunk, welcher bestimmt war, die Herzen ihrer Kinder und Gäste mit einem neuen Vorrat von Alltagsgeduld und stolz verschüchterter Ergebenheit an das Vaterland zu versehen und dies fast ebensogut leistete, wie die beutereiche Heimkehr früherer Könige von nubischen und asiatischen Kriegszügen, deren Siegesszenen in Tiefrelief-Arbeit an den Tempelmauern verewigt waren, und die Ägyptenland groß gemacht hatten, während allerdings die schwere Befuchtelung der Fronbäuerlein so recht erst damit begonnen hatte.
Pharao zog aus bekrönt und in Handschuhen am hohen Kalendertage, trat glänzend wie die aufgehende Sonne hervor aus seinem Palast und begab sich auf hochschwebendem Tragsessel mit Baldachin, unter Straußenwedeln, gehüllt in schwer duftende Weihrauchwolken, die voranschreitende Räucherer, umgewandt gegen den guten Gott, ihm zuschweben ließen, in das Haus seines Vaters, um dessen Schönheit zu schauen. Die Stimmen der Lesepriester wurden übertönt vom Jubel der hüpfenden Zuschauermenge. Trommler und Zinkenisten lärmten dem Zuge voran, in welchem Trupps von königlichen Verwandten, Würdenträgern, einzigen und wirklichen Freunden sowie Freunden schlechthin des Königs gingen, und dessen Beschluß Soldaten mit Feldzeichen, Wurfhölzern und Streitäxten machten. Die Lebenszeit des Rê dir, Amunsfriede! Wo aber sollte man stehen und Staub schlucken, den Hals sich verrenken, die Augen aufreißen – hier oder lieber zu Karnak bei Amuns wimpelüberflattertem Haus, wohin am Ende doch alles strömte? Denn auch der Gott kam ja heute hervor, verließ die heiligste Dunkelkammer im letzten Hintergrund seines riesigen Grabes, hinter allen Vorhöfen, Höfen und immer stiller und niedriger werdenden Hallen und zog, ein eigentümlich unförmiges Hockepüppchen, durch sie alle, durch immer höhere und farbenvollere Räume, auf seiner widderkopfgeschmückten Barke, heilig versteckt in seiner verschleierten Kapelle, getragen auf langen Schulterstangen von vierundzwanzig Blankschädeln in gestärkten Überschürzen, befächert und beräuchert auch er, dem Sohn ins Lichte und Laute entgegen.
Es war höchst vordringlich, das »Gänsefliegen« zu beobachten, den seit Urzeiten gepflogenen Brauch, der am schönen Ort des Zusammentreffens, auf dem Platz vor dem Tempel nämlich, vollzogen wurde. Wie schön und freudevoll allerdings war dieser Ort! Von goldenen, mit dem Kopfschmuck des Gottes gekrönten Mastbäumen flatterten bunte Flaggen. Berge von Blumen und Früchten häuften sich auf den Opfertischen vor den Schreinen der heiligen Dreiheit, des Vaters, der Mutter und des Sohnes, und Bildsäulen von Pharao’s Vorfahren, der Könige von Ober- und Unterägypten, herbeigetragen von der in vier Wachen geteilten Schiffsmannschaft der Sonnenbarke, waren hier aufgerichtet. Auf goldenen Sockeln über das Volk erhöht, die Gesichter nach Ost, West, Mittag und Mitternacht auseinandergewandt, ließen Priester die Wildvögel in die vier Himmelsgegenden fliegen, damit sie den Göttern einer jeden die Nachricht brächten, daß Hor, des Usir und der Eset Sohn, sich die weiße sowohl wie die rote Krone aufs Haupt gesetzt habe. Denn dieser Meldeform hatte der Toderzeugte sich einst bedient, als er den Thron der Länder bestiegen, und durch unzählige Jubiläen hatte man die Handlung im Fest wiederholt, wobei Gelehrte und Volk nach unterschiedlichem Ermessen vielerlei Folgerungen für das gemeine und einzelne Schicksal aus dem Fluge der Boten zogen.
Welche schönen Geheimnisse und Hantierungen übte nicht Pharao nach dem Gänseflug an dieser Stätte! Er opferte vor den Bildern der Urkönige. Mit goldener Sichel schnitt er eine Garbe Spelt, die ein Priester ihm darreichte, und legte die Frucht zu Dank und Bitte vor seinem Vater nieder. Aus langgestielter Pfanne spendete er ihm, während Vorleser und Vorsänger aus ihren Buchrollen psalmodierten, den göttlichen Geruch. Dann setzte die Majestät dieses Gottes sich auf ihren Stuhl und nahm in unbeweglicher Haltung die Segenswünsche des Hofes an, welche in seltene und hohe Worte gekleidet waren und öfters in Gestalt ausgeklügelter Glückwunschbriefe vor sie gebracht wurden, die am Erscheinen verhinderte Chargen zu
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