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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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schlafen, im Sondergemach des Vertrauens, welches jedoch für diese Nacht den Namen ›Sondergemach der Strafverwahrung‹ annehmen soll. Item, da du im Handholz steckst, so verlangt die Gerechtigkeit, daß man auch Dûdu mit einem solchen versehe, wenn nämlich ein zweites vorhanden ist. Ist aber nur eines da, so soll Dûdu es tragen. – Ich habe gesprochen. Das Hausgericht ist beendet. Ein jeder trete an seinen Posten zum Empfange der Gäste!«
    Niemanden wird die Nachricht erstaunen, daß nach Anhörung solcher Richtersprüche alle, die auf dem Hofe waren, auf ihre Stirnen fielen und die Hände erhoben, indem sie den Namen anriefen ihres milden und weisen Gebieters. Auch Joseph fiel dankend nieder, selbst Huij und Tuij verehrten, unterstützt von den Pflegekindern, den Sohn auf dem Angesicht, und fragt ihr nach Mut-em-inet, der Herrin – was sie anging, so machte sie keine Ausnahme: Man sah sie sich hinneigen über den Schemel des Richterstuhles und die Stirn verbergen auf ihres Gatten Füßen.
    »Nichts zu danken«, sagte er, »meine Freundin. Es sollte mich freuen, wenn es mir gelungen wäre, dir Genüge zu tun in dieser Heimsuchung und mich dir lieb zu erweisen mit meiner Macht! Wir können nun in den Gästesaal eintreten, daß wir meinen Ehrentag feiern. Denn da du tagsüber klüglich das Haus hütetest, hast du dich geschont für den Abend.«
    Also ging es hinab mit Joseph in die Grube und ins Gefängnis zum anderen Mal. Wie er aber wieder emporstieg aus diesem Loche zu höherem Leben, das bilde den Gegenstand künftiger Gesänge.

    Ende des dritten Romans

JOSEPH, DER ERNÄHRER
    VORSPIEL IN OBEREN RÄNGEN
    In Oberen Kreisen und Rängen herrschte damals, wie immer bei verwandten Gelegenheiten, spitzig-sanfte Genugtuung und leise tretende Schadenfreude, blickweise ausgetauscht im Begegnen unter züchtig gesenkten Wimpern hervor bei gerundet herabgezogenem Munde. Wieder einmal war ein Maß voll worden, war die Milde erschöpft, Gerechtigkeit fällig gewesen, und sehr wider Wunsch und Plan, unter dem Druck des Reiches der Strenge (vor welchem die Welt allerdings überhaupt nicht bestehen konnte, da man sie doch auf den allzu weichen Grund bloßer Milde und Barmherzigkeit auch nicht hatte bauen können) hatte Man sich in majestätischem Kummer genötigt gesehen, einzuschreiten und aufzuräumen, zu stürzen, zu vernichten und erst einmal wieder einzuebnen – wie zur Zeit der Flut, wie am Tage des Schwefelregens, da der Laugensee die Lasterstädte verschlungen.
    Nun, das Gerechtigkeitszugeständnis war nicht dieses Stiles und Umfangs, so grimmen Grades nicht wie zum Zeitpunkt des großen Reueanfalls und der Gesamtersäufung oder auch nur wie dazumal, als zweien von uns, dank dem verworfenen Schönheitssinn der Leute von Sodom beinahe ein untragbarer Stadtzoll abgefordert worden wäre. Nicht just die Menschheit kam in den Pfuhl und ins Loch oder eine Gruppe davon, die ihren Weg ins Himmelschreiende verderbt hatte, sondern nur um ein allerdings besonders schmuckes und überhebliches, besonders mit Prädilektion, Angelegentlichkeit und weitläufiger Planung beladenes Einzel-Vorkommnis des Geschlechtes handelte es sich, das man uns auf die Nase gesetzt – einem grillenhaften Gedankengang zufolge, der in den Zirkeln und Rängen nur zu wohlbekannt war und dort von jeher Bitterkeit erregt hatte, – zusammen mit der nicht ungerechtfertigten Erwartung, daß sehr bald die Bitterkeit das Teil dessen sein werde, der die kränkende Überlegung anstellte und sie ins Werk setzte. »Die Engel«, so hatte sie gelautet, »sind nach Unserem Bilde geschaffen, jedoch nicht fruchtbar. Die Tiere dagegen, siehe an, sind fruchtbar, doch nicht nach Unserem Gleichnis. Wir wollen den Menschen schaffen, – ein Bild der Engel und doch fruchtbar!«
    Absurd. Mehr als überflüssig, nämlich abwegig, schrullenhaft und von Reue und Bitternis trächtig. Wir waren nicht »fruchtbar«, allerdings nicht. Wir waren Kämmerer des Lichtes und stille Höflinge allzumal, und die Geschichte von unserem einstmaligen Eingehen zu den Töchtern der Menschen war haltloser Weltenklatsch. Aber alles in Betracht gezogen, und was jener tierische Vorzug, die Qualität der »Fruchtbarkeit« nun an übertierischen und interessanten Nebenbedeutungen in sich schließen mochte, – wir »Unfruchtbaren« tranken jedenfalls nicht Unrecht wie Wasser, und Man würde sehen, wie weit Man kommen würde mit Seinem fruchtbaren Engelsgeschlecht: vielleicht sogar bis zu der

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