Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
gewesen, und daß ich Milde hab’ walten lassen gegen meine Pflicht; sonst komm’ ich in die Asche.«
»Im Gegenteil. Ich werde ihm sagen, daß du mir ein grausamer Wärter warst und mich mit Skorpionen gezüchtigt hast Tag für Tag!«
»Unsinn, das geht nun auch wieder viel zu weit! Du kannst nichts, als den Menschen foppen. Weiß ich doch nicht, was in dem versiegelten Briefe steht, den ich auf meinem Körper trage, und bin ungewiß, wie es gemeint ist mit dir. Das ist eben das Schlimme, daß nie niemand weiß, wie es mit dir gemeint ist! Dem Gefängnisherrn aber sollst du sagen, daß ich dich mit gemessener Härte und menschlicher Unerbittlichkeit behandelt habe.«
»So will ich tun«, sagte Joseph und bekam freie Ellenbogen, bis sie tief hinabgelangt waren ins Land Uto’s, der Schlange, und des siebenarmig gespaltenen Stromes, in den Gau von Djedet und nahe an Zawi-Rê, die Inselfestung heran, – da schnürte Cha’ma’t sie ihm wieder zusammen.
Der Amtmann über das Gefängnis
Josephs Strafkarzer und zweite Grube, die er nach ungefähr siebzehntägiger Reise erreichte und darin er nach seiner Stimmigkeitsberechnung drei Jahre verbringen sollte, ehe das Haupt ihm erhoben wurde, war ein Lager freudloser Baulichkeiten, das, unregelmäßig von Form, fast den ganzen Raum der dem mendesischen Nilarm entsteigenden Insel einnahm; eine Ansammlung von kubischen, Höfe und Gänge bildenden Kasernen, Ställen, Magazinhäusern und Kasematten, überragt an einer Ecke von einer Migdol-Zitadelle, in der der Amtmann über den Zwinger, Gefangenenvogt und Besatzungskommandant Mai-Sachme, ein »Schreiber des siegreichen Heeres«, seinen Sitz haben sollte, und mitten drin vor dem Pylon eines Wepwawet-Tempels, dessen Flaggenschmuck den einzigen Augentrost in all der Unzier bildete, – umschlossen das Ganze von einer wohl zwanzig Ellen hohen Ringmauer aus ungebrannten Ziegeln mit geknickt vorspringenden Bastionen und rundlich ausladenden Wehr-Balkonen. Lände und Tor-Zugang, hinter dessen Brustwehren Wachen standen, befanden sich irgendwo seitlich, und Cha’ma’t, am hohen Buge des Ochsenbootes stehend, schwenkte den Soldaten schon von weitem seinen Brief entgegen und rief ihnen, unters Tor gelangt, zu, daß er einen Züchtling bringe, den er dem Schar-Hauptmann und Lagerherrn persönlich zu überhändigen habe.
Sold-Jünglinge, nämlich Ne’arin, eine militärische Bezeichnung, die man unselbständigerweise aus dem Semitischen sich zurechtgemacht hatte, Lanzenträger mit herzförmigen Schutzblättern aus Leder vorn am Schurz und Schilde auf dem Rücken, öffneten dem Transport und ließen ihn ein, – dem Joseph war es, als werde er wieder eingelassen mit seinen Käufern, den Ismaelitern, durch das Mauertor der Grenzfeste Zel. Damals war er ein Knabe gewesen, zaghaft vor den Wundern und Greueln Ägyptens. Jetzt war er vertraut mit diesen Wundern und Greueln wie Einer, ein Ägypter mit Haut und Haar, – vorbehaltlich des Vorbehaltes, versteht sich, den er in seinem Innern gegen die Narrheiten des Landes seiner Entrückung wahrte, und dem Jünglings-Stande schon ein gut Stück ins Männliche entwachsen. Aber am Seile geführt wurde er nun wie Chapi, die lebende Wiederholung des Ptach, in seinem Tempelhofe zu Menfe, ein Gefangener Ägyptenlandes, wie jener Rindsgott; denn Zwei vom Gesinde Peteprê's hielten die Enden seiner Armfessel und führten ihn so vor sich her, hinter Cha’ma’t, der unterm Tore einem stocktragenden Unter-Chargierten (er hatte wohl den Befehl zum Einlaß gegeben) Rede stand und von ihm an einen über den Hof kommenden Höheren, der eine Keule trug, verwiesen wurde. Dieser nahm den Brief, versprach, ihn dem Hauptmann bringen zu wollen, und hieß sie warten.
So warteten sie denn, unter den neugierigen Blicken der Soldaten, auf einem kleinen Viereck von Hof, im spärlichen Schatten von zwei oder drei strohigen und nur ganz oben grün beschopften Palmbäumen, deren rötlich kugelige Früchte an ihren Wurzel-Basen herumlagen. Der Sohn Jaakobs war nachdenklich. Er gedachte der Worte Peteprê's über den Kerkermeister, unter dessen Hand er ihn geben wolle: daß er ein Mann sei, mit dem man nicht spaße. In begreiflicher Sorge war er gespannt auf den Mann, aber er überlegte, daß der Titel-Oberst ihn wahrscheinlich garnicht kenne und die Eigenschaft seiner Ungespäßigkeit nur aus seinem Amte als Kerkermeister abgeleitet habe, was ein allenfalls wahrscheinlicher, aber nicht notwendiger Schluß war.
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