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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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spiegeln und dich mit ihm zu verwechseln, sodaß du redest, als wärest du es, und dein Selbst in der Luft damit einen blanken Bogen bildet vor den verärgert blinzelnden Augen. Da könnte doch jeder kommen und es treiben wie du, aber der Ehrsame tut’s nicht, sondern verehrt und betet an. Ich habe mich hier zu dir gesetzt, teils aus Mitleid und teils aus Langerweile, um mich ein wenig mit dir zu unterhalten, aber wenn du mir zu verstehen gibst, du seiest Atum-Rê und Usir, der Große, in seiner Barke, so laß ich dich allein, denn es kommt mir die Galle hoch ob deiner Lästerung.«
    »Halt es damit, wie du mußt, Cha’ma’t vom Bücherhause und von der Speisekammer! Ich habe dich nicht angefleht, dich zu mir zu setzen, denn ich bin ebenso gern allein, vielleicht sogar noch eine Kleinigkeit lieber, und weiß mich schon ohne dich zu unterhalten, wie du ja selber bemerkst, – wenn aber du dich zu unterhalten wüßtest wie ich, so hättest du dich nicht zu mir gesetzt, würdest aber auch nicht so scheel blicken auf die Unterhaltung, die ich mir gönne, und die du mir nicht gönnst. Scheinbar aus Frömmigkeit gönnst du sie mir nicht, aber in Wahrheit eben nur einfach aus Mißgunst, und die Frömmigkeit ist nur das Feigenblatt, das deine Mißgunst sich vortut – verzeih das dir fernliegende Gleichnis! Daß sich der Mensch unterhalte und nicht sein Leben hinbringe wie das dumpfe Vieh, das ist doch schließlich die Hauptsache, und wie hoch er es bringt in der Unterhaltung, darauf kommt’s an. Du hast nicht ganz recht, zu sagen, daß doch jeder kommen könnte und es treiben wie ich, denn es könnt’ es eben nicht jeder, – nicht weil ihn die Ehrsamkeit hinderte, sondern weil er gänzlich des Anklangs ermangelt ans Höchste und ihm die herzliche Anbindung versagt ist an dieses – nicht gegeben ist’s ihm, durch die himmlische Blume zu leben, wie man sagt, daß einer spricht durch die Blume. Ganz was anderes sieht er, mit Recht, im Höchsten, als in sich selbst, und nur mit langweiligem Halleluja kann er ihm dienen. Hört er aber vertraulichere Lobpreisung, so sieht er grün vor Neid und tritt unter das Bild des Höchsten mit falschen Tränen: ›O, vergib, mein Allerhöchstes, dem Lästerer!‹ Das ist ja eher ein läppisches Gebaren, Cha’ma’t von der Speisekammer, du solltest es nicht so machen. Gib mir lieber mein Mittagbrot, denn die Stunde ist da, und mich hungert.«
    »Das muß ich wohl tun, wenn die Stunde da ist«, antwortete der Schreiber. »Verhungern lassen kann ich dich nicht. Ich will dich lebend abliefern zu Zawi-Rê.«
    Da nämlich Joseph gefesselt war an den Ellenbogen und seine Hände nicht brauchen konnte, mußte Cha’ma’t, als sein Wärter, ihn füttern, es blieb ihm nichts anderes übrig. Eigenhändig mußte er, bei ihm kauernd, ihm das Brot in den Mund stecken und ihm den Becher Biers an die Lippen setzen, und Joseph pflegte seine Bemerkungen daran zu knüpfen bei jeder Mahlzeit.
    »Ja, da kauerst du, langer Cha’ma’t, und atzest mich«, sagte er. »Es ist recht freundlich von dir, wenn du auch eine beschämte Miene dazu machst und es offensichtlich nicht gerne tust. Dies trinke ich auf dein Wohl, kann aber nicht umhin zu denken, wie du herunter gekommen bist, daß du mich tränken und päppeln mußt. Hast du das je gemacht, als ich dein Vorsteher war und du dich vor mir bücktest? Bedienen mußt du mich wie nie zuvor, und also scheint es doch, daß ich mehr worden bin und du weniger. Wir haben da die alte Frage, wer größer und wichtiger ist: der zu Bewachende oder der Wächter. Ohne Zweifel ist es doch jener. Denn wird nicht auch ein König von seinen Knechten behütet, und heißt es nicht von dem Gerechten: ›Es ist Seinen Engeln befohlen, dich zu behüten auf deinen Wegen‹?«
    »Ich will dir was sagen«, antwortete Cha’ma’t endlich, nach ein paar Tagen, »ich bin es satt, dich satt zu machen, wenn du den Schnabel aufsperrst wie das Dohlenküken im Nest, denn du sperrst ihn auch sonst noch auf zu ärgerlichen Reden, die mir’s noch mehr verleiden. Ich werde dir einfach die Fessel abnehmen, daß du nicht so hilflos bist und ich nicht länger dein Knecht und Engel sein muß, das ist nicht Schreibers Sache. Wenn wir uns deiner Stätte nähern, werde ich sie dir wieder anlegen und dich dem Amtmann dort, Mai-Sachme, dem Truppenhäuptling, in Fesseln überliefern, wie sich’s gebührt. Du mußt mir aber schwören, es dem Amtmann nicht anzusagen, daß du zwischendurch ihrer ledig

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