Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
gleich wieder aus seinem Gesicht, Lächeln und Düsternis.
»Du führtest das Schiff, das euch herbrachte von Wêse?« wandte er sich, rund blickend, unter hochgezogenen Brauen, mit gelassen eintöniger Stimme an Cha’ma’t, den Schreiber.
Da dieser bejahte, sah er Joseph an.
»Du bist Peteprê's, des großen Höflings, ehemaliger Hauswart?« fragte er.
»Ich bin’s«, antwortete Joseph in aller Einfachheit.
Und doch war das eine etwas starke Antwort. Er hätte antworten können: »Du sagst es«, oder: »Mein Herr weiß die Wahrheit«, oder blumiger: »Maat spricht aus deinem Munde.« Aber »Ich bin’s«, gesprochen wohl schlicht, aber mit ernstem Lächeln, war erstens leicht ungehörig – denn man sprach nicht in der Ich-Form vor Übergeordneten, sondern sagte: »Dein Diener«, oder, ganz wegwerfend: »Der Diener da«; darüber hinaus aber spielte das »Ich« eine alarmierende Rolle darin – im Zusammenhang mit dem »Es«, das den unbestimmten Verdacht erregte, mehr zu beinhalten, als bloß die Hauswartschaft, die nach der Frage zu bestätigen war, also daß Frage und Antwort sich nicht recht zu decken schienen, sondern diese über jene hinausging und man zu der Rückfrage: » Was bist du?« oder auch » Wer bist du?« versucht sein mochte ... Kurzum, »Ich bin’s« war eine Formel, weither klingend, altvertraut und von populärem Appell, – die Formel des Sich-zu-erkennen-gebens, eines Aktus, ur-beliebt in kündender Erzählung und Götterspiel, mit welchem die Vorstellung eine Reihe gleichartiger Wirkungen und Folgehandlungen, vom Augen-niederschlagen bis zum verdonnerten Auf-die-Kniestürzen selbsttätig verbindet.
Das ruhige Gesicht Mai-Sachme’s, das Gesicht eines Mannes, der nicht zum Erschrecken geneigt schien, zeigte denn auch eine leise Verwirrung oder Verlegenheit, wobei die Spitze seiner kleinen, wohlgebogenen Nase sich weißlich entfärbte.
»So, so, du bist’s also«, sagte er, und wenn er im Augenblick nicht mehr ganz genau wußte, was er selbst mit dem »es« eigentlich meinte, so mochte zu dieser träumerischen Vergeßlichkeit beitragen, daß der da vor ihm stand, der bestaussehende Siebenundzwanzigjährige in beiden Ländern war. Schönheit ist ein eindrucksvolles Gepräge; eine besondere Art leisen Schreckens erregt sie unfehlbar selbst in der ruhigsten Seele, der das Erschrecken sonst fern liegt, und ist danach angetan, den Sinn eines mit ernstem Lächeln gesprochenen »Ich bin’s« ins Träumerische zu rücken.
»Du scheinst ein leichtsinniger Vogel zu sein«, fuhr der Hauptmann fort, »aus dem Neste gefallen vor Torheit und Unbesinnen. Lebtest droben in Pharao’s Stadt, wo es hochinteressant ist und du ein Leben hättest haben können gleich einem Fest, das nicht endet, und hast dich um nichts und wieder nichts hierher heruntergebracht ins äußerst Langweilige. Denn hier herrscht die äußerste Langeweile«, sagte er und zog wieder für einen Augenblick drohend die Brauen zusammen, wobei aber, als ob es dazu gehörte, auch das halbe Lächeln wieder um seine Lippen spielte. »Wußtest du nicht«, fuhr er fort, »daß man sich in fremdem Hause nicht nach den Weibern umsehen soll? Hast du die Sprüche des Totenbuches nicht gelesen und nicht die Mahnungen und Meinungen des heiligen Imhotep?«
»Sie sind mir vertraut«, erwiderte Joseph, »denn laut und leise habe ich sie unzählige Male gelesen.«
Aber der Hauptmann, obgleich er Antwort gewollt hatte, hörte nicht hin.
»Das war ein Mann«, sagte er, gegen seinen Begleiter, den Hausbetreter, gewandt, »ein guter Gefährte des Lebens, Imhotep, der Weise! Arzt, Baumeister, Priester und Schreiber, das alles war er, Tut-anch-Djehuti, das lebende Bild des Thot. Ich verehre den Mann, das muß ich sagen, und wenn es mir gegeben wäre, zu erschrecken, – es ist mir aber, vielleicht muß ich sagen: leider, nicht gegeben, ich bin zu ruhig dazu –, so würde ich wahrscheinlich zusammenfahren vor soviel vereinigter Wissenschaft. Schon seit unendlicher Zeit ist er tot, Imhotep, der Göttliche, – es gab seinesgleichen eben nur in der Frühzeit und am Morgen der Länder. Ur-König Djoser war sein Gebieter, gewiß hat er ihm sein ewiges Haus, die Stufenpyramide gebaut nahe Menfe, sechs Stockwerke hoch, wohl hundertundzwanzig Ellen, aber der Kalkstein ist schlecht, der unsere drüben im Bruch, worin die Sträflinge werken, ist wenig schlechter; der Meister hatte eben nichts Besseres zur Hand. Das Bauen war aber auch nur ein
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