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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Ersten-Besten vorlieb nehme, besonders wenn er so vielversprechend schleierig zu blicken versteht und einige Familiarität mit Träumen nachweisen kann. Mach dich bereit, Jüngling, zu hören und zu deuten, aber nimm dich zusammen, wie auch ich mich äußerst zusammennehmen muß, um meinem Traume die rechten Worte zu finden und nicht sein Leben zu töten durch meine Erzählung. Denn er war so überaus lebendig und deutlich und von unnachahmlicher Würze, – da man denn leider ja weiß, wie so ein Traum einschnurrt in Worten und nur noch die Mumie und das dürre Wickelbild ist dessen, was er war, als man ihn träumte und als er grünte, blühte und fruchtete wie der Weinstock, der vor mir war in diesem meinem Traume, in dessen Erzählung ich mich damit bereits betreffe. Denn mir war, ich wäre mit Pharao in seinem Weingarten und in der gebogenen Laube seines Weingartens, wo mein Herr ruhte. Und vor mir war ein Weinstock, ich sehe ihn noch, es war ein absonderlicher Weinstock und hatte drei Reben. Versteh’ mich: Er grünte und hatte Blätter gleich Menschenhänden, aber wiewohl in der Laube schon alles voll Trauben hing, blühte und fruchtete dieser noch nicht, sondern das geschah erst vor meinen Augen im Traum. Siehe nämlich: er wuchs vor ihnen und begann zu blühen, indem er liebliche Blütenbüschel hervorsandte zwischen seinem Laube, und seine drei Reben trieben Trauben, die reiften zusehends mit Windesschnelle, und ihre purpurnen Beeren wurden prall wie meine Backen und strotzend wie keine sonst ringsumher. Da freute ich mich und pflückte von den Trauben mit der Rechten, denn in der Linken hielt ich Pharao’s Becher, der halbvoll gekühlten Wassers war. Darein drückte ich mit Gefühl den Saft der Beeren, wobei ich mich, glaub’ ich, erinnerte, daß du, Jüngling, uns manchmal ein wenig Rebsaft in Wasser drückst, wenn wir Wein befehlen, und gab den Becher Pharao in seine Hand. Und das war alles«, schloß er kleinlaut, enttäuscht von seinen Worten.
    »Es ist nicht wenig«, antwortete Joseph, indem er die Augen öffnete, die er geschlossen gehalten hatte, während er ihm mit geneigtem Ohr lauschte. »Da war der Becher, und war klares Wasser darin, und du drücktest eigenhändig den Saft der Beeren hinein vom Stock mit den drei Reben und gabst ihn dem Herrn der Kronen. Das war reine Gabe und waren keine Fliegen darin. Soll ich dir deuten?«
    »Ja, deute!« rief Jener. »Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Dies ist die Deutung«, sprach Joseph. »Drei Ranken, das sind drei Tage. Über drei Tage wirst du das Wasser des Lebens empfangen, und Pharao wird dein Haupt erheben und den Schandnamen von dir nehmen, daß du ›Gerecht in Theben‹ heißest wie zuvor, und wird dich wieder an dein Amt stellen, daß du ihm den Becher in die Hand gebest nach der vorigen Weise, da du sein Schenk warst. Und das ist alles.«
    »Vorzüglich«, rief da der Dicke. »Das ist eine liebe, vorzügliche, mustergültige Deutung, ich bin bedient damit wie noch nie im Leben, und du hast, süßer Jüngling, meiner Seele damit einen unnennbaren Dienst erwiesen. Drei Reben – drei Tage! Wie du das so glatthin aussprichst, du Kluger! – Und ›Ehrlich in Theben‹ wieder und nach der vorigen Weise und wieder Pharao’s Freund! Ich danke dir, Liebling, ich danke dir recht, recht sehr.«
    Und er saß da und weinte vor Freude.
    Joseph aber sprach zu ihm: »Gaugraf von Abôdu, Nefer-em-Wêse! Ich habe dir wahrgesagt nach deinem Traum, – es war leicht geschehen und ist gern geschehen. Ich freue mich, daß ich dir freudige Deutung geben konnte. Bald wirst du umringt werden um deiner Reinigung willen; ich aber hier in der Enge bin der erste Gratulant. Euer Diener und Hofmeister war ich durch siebenunddreißig Tage und will’s noch drei Tage sein nach des Hauptmanns Verordnung, indem ich nach eueren Befehlen frage und euch Andeutungen der Bequemlichkeit verschaffe, so gut es die Umstände erlauben. Ich bin zu euch eingetreten morgens und abends ins Geierhäuschen und war euch wie ein Engel Gottes, wenn ich mich so ausdrücken darf, in dessen Brust ihr euer Leid schütten konntet, und der euch tröstete über das Ungewohnte. Nach mir aber habt ihr nicht viel gefragt. Und doch bin ich auch nicht für dieses Loch geboren, noch hab ich’s mir zum Aufenthalte gewählt, sondern bin hierher geraten, ich weiß nicht wie, und eingelegt worden als Königssklave und Sträfling für eine Schuld, die nur eine Verdrehung ist vor Gott. Euch war die Seele zu

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