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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der Sohn Thutmose’s und des mitannischen Königskindes, Neb-ma-Rê-Amenhotep III. in Nimmuria gethront, gebaut und geprunkt, da starb er und vereinigte sich mit der Sonne, nachdem er zuletzt noch die trübe Erfahrung mit den zweiundsiebzig Verschwörern gemacht, die ihn in die Lade hatten locken wollen. Nun kam er ohnedies in die Lade, in eine wundervolle, versteht sich, mit Nägeln aus reinem Gold beschlagene, und kam hinein, gesalzen und asphaltiert, dauerhaft gemacht für die Ewigkeit mit Wacholderholz, Terpentin, Zedernharz, Styrax und Mastix und gewickelt mit vierhundert Ellen Leinwandbinden. Siebzig Tage währte die Zubereitung, bis der Osiris fertig war und auf einem goldenen, von Rindern gezogenen Schlitten, auf welchem das Ruderboot stand, das seinerseits den löwenfüßigen, von einem Baldachin überdachten Schragen trug, unter Vorantritt von Räucherern und Wasserspendern und begleitet von einem dem Anschein nach völlig gebrochenen Gefolge zu seiner zimmerreichen und mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Ewigen Wohnung im Berge gebracht werden konnte, vor deren Tür ihm ein Gottesdienst gewidmet, nämlich die »Öffnung des Mundes« mit dem Fuße des Horuskalbes an ihm vollzogen wurde.
    Die Königin und der Hofstaat wurden nicht mehr in die Viel-Zimmer-Wohnung mit eingemauert, damit sie bei dem Toten verhungerten und vermoderten; die Zeiten, da man dies für notwendig oder nur schicklich gehalten, waren längst vorbei, die Sitte war vergessen und überall abgekommen – warum? Was hatte man dagegen, und weshalb lag es nun jeder Seele fern? Man erging sich sattsam im Urtümlichen und zauberte emsig, stopfte alle Körperöffnungen des hohen Kadavers mit Abwehr-Amuletten voll und hantierte mit dem Kalbsfuß-Instrument nach unverbrüchlicher Umständlichkeit. Aber den Hofstaat miteinzumauern, – nein, nichts davon, das gab es nicht mehr; nicht nur daß man sich dessen weigerte und nicht mehr schön fand, was einmal schön gewesen war, – man wollte nicht einmal mehr wissen, daß man der Sitte je gefrönt und sie schön gefunden hatte, und weder die ehemals Eingesperrten, noch die sie eingesperrt hatten, wandten der Sache nur einen Gedanken zu. Offenbar paßte sie nicht mehr in das Licht des gegenwärtigen Tages, nenne man diesen nun spät oder früh, – und das ist sehr merkwürdig. Viele mögen in dem Alt-Schönen selbst, dem Lebendigmit-einmauern, das Merkwürdige sehen. Allein viel merkwürdiger ist, daß es eines Tages nach allgemeiner, stillschweigender und sogar gedankenloser Übereinkunft schlechthin nicht mehr in Betracht kam. –
    Die Hofleute saßen, die Köpfe auf ihren Knieen, und alles Volk trauerte. Dann aber erhob sich das Land von der Negergrenze bis zu den Mündungen und von Wüste zu Wüste, um der neuen Zeitrechnung zuzujauchzen, die kein Unrecht mehr kennen und unter welcher der Mond richtig kommen würde; zur jubelnden Begrüßung der Folgesonne erhob es sich, eines lieblich-unschönen Knaben, der, wenn man recht gezählt hatte, erst fünfzehn Jahre alt war, weshalb denn auch Teje, die Göttin-Witwe und Horus-Mutter, noch eine Weile die Zügel der Herrschaft statt seiner führen würde, – und zu den großen Festen seiner Inthronisation und Bekrönung mit den Kronen von Ober- und Unterägypten, celebriert in schwerer Ausführlichkeit teils im Palaste des Westens zu Theben, teils, und nach ihren heiligsten Abschnitten, an der Krönungsstätte Per-Mont, wohin sich Jung-Pharao und seine Frau Mutter, groß an Federn, mit Prunkgefolge auf der himmlischen Barke »Stern beider Länder« unter dem Jauchzen der Ufer ein Stückchen stromaufwärts begaben. Als er von dort zurückkehrte, trug er die Titulatur: »Starker Kampfstier, Günstling der beiden Göttinnen, groß an Königtum in Karnak; goldener Falke, der die Kronen erhoben hat zu Per-Mont; König von Oberund Unterägypten; Nefer-cheperu-Rê-Wanrê, was da heißt: ›Schön an Gestalt ist Er, der einzig und dem er das einzige ist‹; der Sonne Sohn, Amenhotep ; göttlicher Herrscher von Theben, groß an Dauer, lebend in alle Ewigkeit, geliebt von Amun-Rê, dem Herrn des Himmels; Hoherpriester des im Horizont Jubilierenden kraft seines Namens ›Glut, die da ist in Atôn‹.«
    So hieß Jung-Pharao nach seiner Krönung, und war dies Gefüge, wie Joseph und Mai-Sachme übereinkamen, das mühsam ausgleichende Ergebnis langer und zäher Verhandlungen zwischen dem Atum-Rê's verbindlichem Sonnensinne zuneigenden Hof und Amuns ereifernd

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