Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ins goldene Fleisch stechen sollte, damit die unleidlichen Schmerzen, die der Stich ihm verursachen würde, und von denen die Schöpferin des Wurmes allein ihn würde befreien können, ihn zwängen, der großen Eset seinen Namen zu nennen. Wie sie’s aber erdacht, so ward es vollbracht. Der alte Rê wurde gestochen, und unter des Stiches Qualenzwang blieb ihm nichts übrig, als mit einem seiner verborgenen Namen nach dem anderen herauszurücken, immer hoffend, daß die Göttin sich mit einem der schon sehr verborgenen zufrieden geben werde. Das aber tat sie nicht, sondern beutelte ihn aus bis aufs Letzte, bis er ihr auch den allergeheimsten genannt hatte und ihre Wissensgewalt über ihn vollkommen war. Danach kostete es sie nichts mehr, ihn vom Stiche zu heilen; doch genas er nur kümmerlich, in den Grenzen, in denen ein so greises Wesen noch zu genesen vermag, und wählte bald darauf das himmlische Altenteil. –
Soweit die Ur-Kunde, die jedem Kinde in Keme bekannt war, und die dafür sprach, daß man Pharao etwas antäte, da sein Zustand nachgerade gar zu sehr und bis zur Verwechslung an den jenes müden Gottes erinnerte. Wer sich nun aber den Vorgang von einst besonders und ganz persönlich zu Herzen genommen hatte, war eine gewisse Insassin von Pharao’s Frauenhaus gewesen, diesem geschlossenen und wohl bewachten, dem Palaste Merima’t in höchster Zierlichkeit angegliederten Pavillon, wohin Pharao sich noch immer manchmal hinübertragen ließ, natürlich nur, um eine oder die andere der dort verwahrten Huldinnen am Kinn zu krauen, sie auch wohl auf dem Brette der dreißig Felder zu überwinden und sich dabei von dem duftigen Corps der Übrigen durch Tanz, Gesang und Saitenspiel erfreuen zu lassen. Öfters sogar vergnügte er sich gerade mit derjenigen auf dem Brette, die die Geschichte von Isis und Rê persönlich nahm und sich dazu hinreißen ließ, sie vergegenwärtigen zu wollen. Keine Erzählung, und sei sie der letzten Einzelheiten dieser Geschichte noch so kundig, wüßte ihren Namen zu nennen. Er ist vertilgt und ausgemeißelt aus aller Überlieferung; die Nacht ewigen Vergessens bedeckt ihn. Und doch war diese Frau zu Zeiten ein bevorzugter Neben-Liebling Pharao’s gewesen und hatte ihm zwölf oder dreizehn Jahre früher, als dieser noch hie und da zu zeugen geruhte, einen Sohn geboren, Noferka-Ptach geheißen, – dieser Name ist erhalten –, der als göttlicher Same eine auserlesene Erziehung genoß, und um dessentwillen sie, der Neben-Liebling, berechtigt war, die Geierhaube zu tragen, – keine ganz so wundervolle wie Teje, die Große Königliche Gemahlin selbst, aber immerhin eine goldene Geierhaube. Dies und ihre Mutterschwäche für Noferka-Ptach, den göttlichen Samen, wurde dem Weibe zum Verhängnis. Denn die Haube verführte sie dazu, sich mit der listenreichen Eset zu verwechseln, und in die dadurch vorgezeichneten Gedankengänge mischte die ehrgeizige Affenliebe für ihr teures Halb-Blütchen sich ein, also daß sie in ihrem engen, aber anschlägigen und von Ur-Kunde verwirrten Hirn beschloß, Pharao vom Wurme stechen zu lassen, einen Palast-Umsturz heraufzubeschwören und statt des ohnedies kränkelnden Horus Amenhotep, der geborenen Folgesonne, ihres eigenen Schoßes Frucht, den Noferka-Ptach, auf den Thron der beiden Länder zu setzen.
Wirklich waren die Vorbereitungen zu dem Schlage, dessen Ziel es war, die Dynastie zu stürzen, eine neue Zeit herbeizuführen und jenen nie zu nennenden Neben-Liebling zur Göttin-Mutter zu erheben, schon sehr weit gediehen gewesen. Pharao’s Frauenhaus war seine Brutstätte, aber durch einige Haremsbeamte und Offiziere der Torwache, die nach neuen Dingen begierig gewesen, war die Verbindung hergestellt worden einerseits mit dem Palaste selbst, wo eine Anzahl von Freunden, und zwar zum Teil sehr hohe, ein Erster Wagenlenker des Königs, der Verwalter der Obstkammer des Gottes, der Große der Gendarmen, der Vorsteher der Rinderherden, der Oberste der Salben vom Schatzhause des Herrn beider Länder und andere, für das Unternehmen gewonnen wurden – und andrerseits mit der hauptstädtischen Außenwelt, wo durch die Frauen jener Offiziere die männliche Sippschaft von Pharao’s Huldinnen ins Einvernehmen gezogen und angehalten wurde, Wêse's Bevölkerung mit bösen Reden aufzubringen gegen den alten Rê, der nur noch aus Gold, Silber und Lapislazuli bestand.
Alles in allem waren es zweiundsiebzig Verschwörer, die insgeheim zu dem Plane standen,
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