Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
lastender Tempelmacht, welche ein paar tiefe Verbeugungen vor dem Herrn des Hergebrachten erzielt hatte, aber nur gegen deutlich durchschimmernde Zugeständnisse an den zu On an der Spitze des Dreiecks, also daß sich der Königsknabe sogar zum Großen des Schauens des Rê-Horachte geweiht, ja, den wider-herkömmlich lehrhaften Namen »Atôn« in das Schleppgewand seiner Titel gewoben hatte ... Seine Mutter, die Göttin-Witwe, nannte ihren starken Kampfstier, der mit einem solchen nicht die leiseste Ähnlichkeit hatte, kurzweg »Meni«. Das Volk aber hatte, so hörte Joseph, einen anderen Namen für ihn, einen zarten und zärtlichen. »Neb-nef-nezem« hieß es ihn, »Herr des süßen Hauches« – es war nicht mit Bestimmtheit zu sagen, warum. Vielleicht weil bekannt war, daß er die Blumen liebte seines Gartens und gern sein Näschen in ihrem Duft begrub.
Joseph also versäumte diese Dinge und allen damit verbundenen Freudentaumel im Loch, und daß Mai-Sachme’s Soldaten sich drei Tage lang betrinken durften, war alles, wodurch die Ereignisse hinabspielten in sein Gefängnis. Er war nicht dabei und sozusagen auf Erden nicht gegenwärtig, als der Tag wechselte, das Morgen zum Heute und damit das Höchste von morgen zum Höchsten von heute wurde. Er wußte nur, daß es geschehen war, und von unten her aus seiner Grube gab er acht auf das Höchste. Er wußte, daß Neb-nef-nezems kindliches Ehegeschwister, eine Prinzessin von Mitanniland wiederum, die ihm noch sein Vater brieflich beim König Tuschratta gefreit hatte, gen Westen entschwunden war, kaum daß sie das Land ihrer Bestimmung erreicht hatte, – nun, an solches Entschwinden war Meni, der Starke Kampfstier, gewöhnt. Um ihn herum war immer viel gestorben worden. All seine Geschwister waren gestorben, teils vor seiner Geburt schon, teils da er lebte, darunter ein Bruder, und nur ein spät nachgeborenes Schwesterchen war da, die aber auch eine so starke Neigung gen Westen bekundete, daß man sie kaum zu sehen bekam. Auch sah er selber nicht aus wie Einer, der immer und ewiglich leben sollte, den Sandstein- und Kalkstein-Bildern nach zu urteilen, welche die Jünger des Ptach von ihm verfertigten. Da es aber sehr dringlich war, daß er das Sonnengeschlecht fortpflanze, bevor auch er etwa von dannen ging, war er noch zu Lebzeiten Neb-ma-Rê-Amenhoteps wiedervermählt worden: mit einem ägyptischen Edelkinde, Nofertiti geheißen, die nun seine Große Gemahlin und Herrin der beiden Länder geworden war, und der er den strahlenden Zunamen »Nefernefruatôn«, »Schön über alle Schönheit ist der Atôn«, verliehen hatte.
Auch dieses Hochzeitsfest schon, bei dem die Ufer jauchzten, hatte Joseph drunten versäumt, aber er wußte davon und gab acht auf das junge Höchste. Er hörte zum Beispiel von Mai-Sachme, seinem Hauptmann, der amtlich manches erfuhr, daß Pharao, gleich nachdem er zu Per-Mont die Kronen erhoben, mit Erlaubnis seiner Mutter den Befehl gegeben hatte, in höchster Schnelle den Bau eines Hauses des Rê-Horachte-Atôn zu Karnak zu vollenden, den schon sein gen Westen gegangener Vater in Auftrag gegeben hatte, und vor allen Dingen in den offenen Hof dieses Tempels einen außergewöhnlich riesigen Obelisken aus Quadern auf hohem Unterbau zu errichten, dessen an die Lehrmeinungen von On an der Spitze des Dreiecks sich anschließender Sonnensinn dem Amun offenbar die Stirne bieten sollte. Nicht als ob Amun an und für sich etwas gegen die Nachbarschaft anderer Götter gehabt hätte. Rings um seine Größe herum gab es zu Karnak ja viele Häuser und Schreine: für Ptach, den Gewickelten, für Min, den Starrenden, für Montu, den Falken, und manchen anderen; und Amun duldete ihren Dienst nicht nur mit Wohlwollen in seiner Nähe, sondern die Vielheit der Götter Ägyptens war seinem bewahrenden Sinn geradezu wert und wichtig, – unter der Voraussetzung natürlich, daß Er, der Schwere, König über Alle war, der König der Götter, und daß sie ihm von Zeit zu Zeit aufwarteten, wogegen er sogar bereit war, ihnen bei schicklicher Gelegenheit einen Gegenbesuch abzustatten. Von Aufwartung aber konnte hier nicht die Rede sein, da kein Bild vorhanden sein würde in dem befohlenen Groß-Schrein und Sonnenhause, außer dem Obelisken, der anmaßend hoch zu werden drohte und so tat, als lebte man noch zur Zeit der Pyramiden-Erbauer, wo Amun klein und Rê sehr groß gewesen war in seinen Lichtorten, und als hätte nicht Amun seitdem den Rê in sich aufgenommen,
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