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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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aufzuführen, sodaß dann viel Mörtel und Steinkitt heranmußte, um die Wände für die bemalten Tief-Schildereien zu glätten, von denen sie glänzen sollten. Darüber spöttelte Amun, wie man allgemein hörte.
    Die Ereignisse also spielten hinab zu dem ungegenwärtigen Sohne Jaakobs schon dadurch, daß auch Mai-Sachme’s Fron-Bruch von Pharao’s hastigem Bauen stärkstens beansprucht war, und Joseph mußte viel dort sein mit dem Aufseherstab, um acht zu geben, daß Hacke und Sprengbolzen ohn’ Unterlaß gehandhabt wurden, damit der Amtmann keine unangenehm verblümten Briefe von den Ämtern erhalte. Im Übrigen führte jener sein erträgliches Straf-Leben weiter zu Zawi-Rê an des ruhigen Hauptmanns Seite, und eintönig war es, wie dessen Redeweise, doch von Erwartung gespeist. Denn viel gab es zu erwarten, Näheres und Ferneres, – zunächst das Nähere. Die Zeit verging ihm, wie sie eben vergeht, auf die bekannte Weise, die man weder als schnell noch langsam bezeichnen kann; denn sie vergeht langsam, besonders wenn man in der Erwartung lebt, und sieht man hin, so ist sie sehr schnell vergangen. Er lebte dort, bis er, übrigens ohne recht acht darauf zu geben, dreißig geworden war. Da kam der Tag der Atemlosigkeit und des Flügelboten, ein Tag, der Mai-Sachme fast das Erschrecken gelehrt hätte, wäre er nicht schon immer besonderer Dinge für Joseph gewärtig gewesen.
    Der Eilbote
    Eine Barke traf ein mit geschwungenem Lotos-Steven und Purpur-Segel, – sie flog heran, leicht wie sie war, getrieben von fünf Ruderern an jeder Seite, gezeichnet mit dem Zeichen des Königtumes, ein Eilboot aus Pharao’s Eigen-Flottille. Es legte an mit Eleganz an der Lände von Zawi-Rê, und ein Mann hüpfte hervor, ein junger, leicht ebenfalls, schlank wie die Eilbarke, die ihn getragen, mit magerem Gesicht und mit langen, sehnigen Beinen. Seine Brust ging rasch unter dem Linnen, er war atemlos oder schien es zu sein, will sagen: er tat so, als ob er es wäre. Denn es war kein echter Grund zur Atemlosigkeit, da er ja zu Schiffe gefahren und nicht gelaufen war; es war eine gemachte und demonstrative, eine pflichtschuldige Atemlosigkeit. Allerdings lief oder flog er dann mit solcher Geschwindigkeit durch die Tore und Höfe von Zawi-Rê, indem er mit kurzen, keineswegs lauten und dennoch die Wachen in tatenlose Bestürzung versetzenden Rufen jeden Aufenthalt von sich abwehrte, sich freie Bahn schuf und bedingungslos sofort nach dem Hauptmann verlangte, – es heißt also: er lief oder flog so schnell dahin gegen die Citadelle, die man ihm wies, daß trotz seiner Schlankheit die gemachte Atemlosigkeit wohl zur wirklichen werden mochte. Denn die kleinen Flügelpaare aus Goldblech, die er hinten an seinen Sandalen und an seiner Kappe trug, konnten ihm natürlich nicht ernstlich von der Stelle helfen, sondern waren nur das äußere Abzeichen seiner Eilfertigkeit.
    Joseph, der in der Schreibstube beschäftigt war, nahm diese Ankunft, Bewegung und Lauferei sehr wohl wahr, zollte ihnen aber keine Beachtung, auch als man ihn darauf hinwies. Er fuhr fort, mit dem Kanzlei-Vorsteher Papiere durchzugehen, bis ein Söldner, auch schon atemlos, gerannt kam und ihm die Weisung überbrachte, auch das Wichtigste liegen zu lassen und sofort vor den Hauptmann zu kommen.
    »Das will ich«, sagte er, ging aber doch das Papier, das er eben in Händen hielt, mit dem Kanzlisten zu Ende durch, bevor er sich, natürlich nicht schleichenden, aber auch nicht überstürzten Schrittes – vielleicht weil er gewärtigte, daß bald überhaupt keine rasche und lose Bewegung ihm mehr gebühren würde – auf den Turm zum Hauptmann begab.
    Mai-Sachme’s Nasenspitze war etwas weißlich verfärbt, als Joseph das Apothekengemach betrat, seine starken Brauen waren höher als gewöhnlich emporgezogen, und seine gerundeten Lippen standen getrennt.
    »Da bist du«, sagte er mit verminderter Stimme zu Joseph. »Du hättest schon hier sein sollen. Laß dich bedeuten!« Und er wies mit der Hand auf den Flügelmann, der bei ihm stand – oder eigentlich nicht stand, nämlich nicht ruhig stand, sondern Arme, Kopf, Schultern und Beine regte, derart, daß er gleichsam auf der Stelle hin und her lief, um sich in Atem oder vielmehr in Atemlosigkeit zu halten. Zuweilen erhob er sich auf die Zehenspitzen, als wolle er auffliegen.
    »Dein Name ist Usarsiph«, fragte er leise und in hastenden Worten, in dem er seine nahe zusammenliegenden, geschwinden Augen auf Joseph richtete,

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