Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
sodaß er Amun-Rê geworden war, der Reichsgott und König der Götter, unter denen Rê-Atum nebenher, für sein Teil und auf seine Art, allenfalls fortbestehen mochte oder vielmehr, bewahrenderweise, sogar fortbestehen sollte , – aber nicht in anmaßendem Sinn und nicht indem er als ein neuer Gott, genannt Atôn, ein denkerisches Aufhebens von sich machte, wie es nur Amun-Rê selber zukam, oder richtiger, auch ihm nicht, da denken überhaupt unangebracht war und bei der Tatsache seinen Stillstand zu nehmen hatte, daß eben Amun der König war über die hergebrachte Vielheit der Götter Ägyptens.
Bei Hofe aber war schon unter König Neb-ma-Rê modischer Weise viel gedacht und ins Blaue spekuliert worden, und das schien jetzt überhand nehmen zu sollen. Jung-Pharao hatte einen Erlaß herausgegeben und in Steine zum Gedenken der Obeliskenerrichtung graben lassen, der ein Zeugnis klügelnder Bemühtheit war, das Wesen der Sonnengottheit auf eine neue und wider-herkömmliche Weise, und zwar mit soviel Schärfe, daß ihr Gewundenheit nicht erspart blieb, zu bestimmen. »Es lebt«, lautete die Bestimmung, »Rê-Hor der beiden Lichtorte und frohlockt im Lichtorte in seinem Namen ›Schu‹, welches ist der Atôn.« –
Das war dunkel, obgleich es von Helligkeit handelte und sehr hell zu sein wünschte. Es war kompliziert, obgleich es auf Vereinfachung und Vereinheitlichung ausging. Rê-Horachte, ein Gott unter den Göttern Ägyptens, war dreifach von Gestalt: tierisch, menschlich und himmlisch. Sein Bild war eines Menschen Bild mit einem Falkenkopf, auf dem die Sonnenscheibe stand. Aber auch als Himmelsgestirn war er dreifach in seiner Geburt aus der Nacht, im Zenith seiner Männlichkeit und im westlichen Tode. Er lebte ein Leben der Geburt, des Sterbens und der Wieder-Erzeugung, ein in den Tod blickendes Leben. Wer aber Ohren hatte, zu hören, und Augen, die Schrift der Steine zu lesen, der verstand, daß Pharao’s lehrhafte Botschaft das Leben des Gottes nicht so aufgefaßt wissen wollte, nicht als ein Kommen und Gehen, ein Werden, Vergehen und Wieder-Werden, nicht als ein auf den Tod abgestelltes und darum phallisches Leben, ja überhaupt nicht als Leben, insofern Leben stets auf den Tod abgestellt ist, sondern als reines Sein, als die wechsellose, keinem Auf und Ab unterworfene Quelle des Lichts, aus deren Bild der Mensch und der Vogel hinkünftig entfielen, sodaß nur die pure, lebenstrahlende Sonnenscheibe übrig blieb, mit Namen Atôn.
Dies wurde verstanden oder auch nicht verstanden, auf jeden Fall aber aufgeregt besprochen in Stadt und Land, von Solchen, bei denen die Voraussetzungen vorhanden waren, sich darüber zu äußern, und von Solchen, bei denen diese Voraussetzungen vollkommen fehlten, sodaß sie nur schwätzten. Geschwätzt wurde davon bis in Josephs Grube hinein; sogar Mai-Sachme’s Soldaten beschwatzten es und die Sträflinge im Bruch, sobald sie Atem hatten, und soviel verstanden alle, daß es dem Amun-Rê ein Ärgernis war, wie auch der große Obelisk, den man ihm vor die Nase setzte, und weitergehende Verfügungen Pharao’s, die mit der denkerischen Namensbestimmung verbunden waren und wirklich sehr weit gingen. So sollte das Revier, worin das neue Sonnenhaus aufwuchs, den Namen »Glanz des großen Atôn« führen; ja, es ging das Gerücht, Theben selbst, Wêset, die Amunstadt, sollte von nun an »Stadt des Glanzes Atôns« geheißen sein, worüber des Schwätzens kein Ende war. Die Sterbenden selbst in Mai-Sachme’s Lazarettschuppen kamen mit letzter Kraft darauf zu sprechen, – von denen, die nur an Stich-Aussatz und Augenkrätze litten, garnicht zu reden, sodaß des Hauptmanns Ruhe-System in ernstliche Gefahr geriet.
Der Herr des süßen Hauches, so schien es, konnte sich nicht genug tun und betrieb seine Sache; das heißt: die Sache seines lehrhaft geliebten Gottes, also den Bau des Tempels, mit einer Hast und Dringlichkeit, daß alle Steinmetzen von Jebu, der Elephanteninsel, bis zum Delta hinab in Bewegung gesetzt wurden. Und doch war diese umfassende Geschäftigkeit nicht genug, dem Hause Atôns die Bauart zukommen zu lassen, die Ewigen Wohnungen gebührte. Pharao hatte es so eilig, und so getrieben war er von Ungeduld, daß er auf die Verwendung jener sorgfältig zu behauenden und schwer heranzuschaffenden Großblöcke verzichtete, mit denen man Gottesgräber baute, und Befehl gab, den Tempel des wechsellosen Lichtes aus kleinen Steinen, die man einander zuwerfen konnte,
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