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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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»des Hauptmanns Gehilfe, der Aufsicht führt, und dem die Pflege vertraut war gewisser Bewohner des Geierhäuschens dahier vor zwei Jahren?«
    »Ich bin’s«, sagte Joseph.
    »Dann mußt du mit mir kommen, wie du da bist«, antwortete jener und verstärkte die Bewegung seiner Glieder. »Ich bin Pharao’s Erster Läufer, sein Eilbote bin ich und kam mit dem Eilboot. Mit mir mußt du’s unverzüglich besteigen, daß ich dich zu Hofe bringe, denn du mußt vor Pharao stehen!«
    »Ich?« fragte Joseph. »Wie könnte das sein? Ich bin zu gering dafür.«
    »Gering oder nicht, es ist Pharao’s schöner Wille und Befehl. Atemlos überbrachte ich ihn deinem Hauptmann, und atemlos mußt du dem Rufe folgen.«
    »Ich bin in dieses Gefängnis gelegt worden«, erwiderte Joseph, »allerdings verdrehter Weise, und sozusagen bin ich gestohlen hier hinab. Aber ich liege als Fronsklave hier, und wenn man auch meine Fesseln nicht sieht, so sind sie vorhanden. Wie könnte ich hinaus gehen mit dir durch diese Mauern und Tore auf dein Eilboot?«
    »Das kommt alles nicht im Geringsten auf«, hastete der Läufer, »gegen den schönen Befehl. Der läßt das alles augenblicklich in Luft zergehen und zerreißt im Nu alle Fesseln. Vor Pharao’s wundervollem Willen besteht überhaupt nichts, aber sei ruhig, es ist mehr als unwahrscheinlich, daß du wirst bestehen vor ihm, und mehr als wahrscheinlich, daß man dich baldigst zurückbringt hierher an deinen Fronort. Du wirst nicht klüger sein als Pharao’s größte Gelehrte und Zauberer vom Bücherhause und nicht beschämen die Schauenden, Weissager und Deuter vom Hause des Rê-Horachte, die das Sonnenjahr erfanden.«
    »Das steht bei Gott, ob Er mit mir ist oder nicht«, antwortete Joseph. »Hat Pharao etwa geträumt?«
    »Du bist nicht da zu fragen, sondern zu antworten«, sagte der Eilbote, »und wehe, wenn du’s nicht kannst. Dann wirst du vermutlich tiefer fallen als bloß in dieses Gefängnis zurück.«
    »Warum soll ich so geprüft werden«, fragte Joseph, »und wie weiß Pharao von mir, daß er seinen schönen Befehl nach mir aussendet hier hinab?«
    »Man hat dich genannt und erwähnt und auf dich hingewiesen in der Verlegenheit«, antwortete jener. »Frühestens unterwegs magst du Näheres lernen. Jetzt mußt du mir atemlos folgen, daß du unverzüglich vor Pharao stehst.«
    »Wêset ist weit«, sagte Joseph, »und weit ist Merimat, der Palast. So schnell auch dein Eilboot sei, Eilbote, – Pharao wird zu warten haben, bis sich sein Wille erfüllt und ich vor ihm stehe zur Prüfung, sodaß er vielleicht seinen schönen Befehl schon vergessen hat, bis ich komme, und ihn selber garnicht mehr schön findet.«
    »Pharao ist nahe«, versetzte der Läufer. »Der schönen Sonne der Welt gefällt es, zu On an der Spitze des Dreiecks zu scheinen; man hat sich in der Barke ›Stern beider Länder‹ dorthin begeben. In wenigen Stunden fliegt und flitzt mein Eilboot mit uns ans Ziel. Auf, und kein Wort mehr.«
    »Ich muß mich aber scheren lassen zuvor und bessere Kleider anlegen, wenn ich vor Pharao stehen und vor ihm bestehen soll«, sagte Joseph. Er hatte nämlich im Gefängnis sein eigenes Haar getragen und als Anzug nur sehr gewöhnliches Leinen von der gröberen Sorte. Der Läufer aber antwortete:
    »Das kann zu Schiffe geschehen, während wir fliegen und flitzen. Es ist gesorgt für alles. Wenn du denkst, ein Tun und Eilen dürfe das andere verzögern und müsse nicht alles zusammengepackt werden in der Zeit, damit man sie spare, so weißt du nicht, was Atemlosigkeit ist unter Pharao’s schönem Befehl.«
    Da wandte sich denn der Berufene an den Amtmann zum Abschied und nannte ihn »mein Freund« dabei.
    »Du siehst, mein Freund«, sagte er, »wie es steht und wie es mit mir dahingehen soll nach dreien Jahren. Eilend lassen sie mich aus dem Loch und ziehen mich hervor aus dem Brunnen nach altem Muster. Dieser Eilbote meint, ich werde zurückfallen herunter zu dir, aber ich glaube das nicht, und da ich’s nicht glaube, so wird’s auch nicht sein. Darum leb’ wohl und nimm meinen Dank für die Güte und Ruhe, mit der du mir den Stillstand meines Lebens, diese Pönitenz und Dunkelheit, erträglich gemacht hast, und dafür, daß ich dein Bruder sein durfte in der Erwartung. Denn du wartetest auf Nechbets drittes Erscheinen, und ich war meiner Dinge gewärtig. Lebe aber wohl, nicht auf lange! Jemand hat meiner gedacht nach langem Vergessen, als er mit der Nase gestoßen wurde auf mein

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