Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Andenken. Ich aber will dein gedenken ohne Vergessen, und wenn meines Vaters Gott mit mir ist, woran ich nicht zweifle, um Ihn nicht zu kränken, so sollst auch du aus dieser Höhle und Langenweile gezogen sein. Es gibt drei schöne Dinge und Denkzeichen, die dein Fronknecht hegt; sie heißen ›Entrückung‹, ›Erhöhung‹ und ›Nachkommenlassen‹. Wenn mich Gott erhöht – und ich müßte fürchten, Ihn zu beleidigen, wenn ich es nicht bestimmt erwartete, – so verspreche ich dir, dich nachkommen zu lassen, daß dir belebendere Umstände zuteil werden, unter denen deine Ruhe nicht Gefahr läuft, in Schläfrigkeit auszuarten und auch die Aussichten auf das dritte Erscheinen sich verbessern. Soll das ein Wort sein zwischen dir und mir?«
»Habe Dank auf alle Fälle!« sagte Mai-Sachme und umarmte ihn, was er bisher nicht hatte tun dürfen, und wovon ihm schwante, daß es ihm auch später wieder, aus entgegengesetzten Gründen, nicht mehr zukommen würde. Nur gerade jetzt, in der Stunde der Abholung, war der rechte Moment dafür. »Einen Augenblick«, sagte er, »glaubte ich, daß ich erschräke, als dieser Bote gelaufen kam. Aber ich bin nicht erschrocken, und mein Herz schlägt ruhig, denn wie soll einen außer Fassung bringen, worauf man gefaßt war? Die Ruhe ist weiter nichts, als daß der Mensch auf alles gefaßt sei, und wenn es kommt, so erschrickt er nicht. Etwas anderes ist’s mit der Rührung, – für sie bleibt Raum auch in der Fassung, und es rührt mich sehr, daß du meiner gedenken willst, wenn du in dein Reich kommst. Die Weisheit des Herrn von Chmunu sei mit dir! Lebe wohl!«
Der Eilbote hatte, von einem Bein auf das andere hüpfend, den Hauptmann diese Worte nur gerade zu Ende sprechen lassen, da nahm er Joseph bei der Hand und lief mit ihm, Atemlosigkeit zur Schau stellend, vom Turme hinunter durch die Höfe und Gänge von Zawi-Rê zum Eilboot, in das sie sprangen und das sogleich mit enormer Geschwindigkeit mit ihnen davonflitzte, während Joseph in dieser Schnelligkeit unter dem Dach des kleinen Kajüten-Pavillons auf dem Achterdeck nicht nur geschoren, geschminkt und umgekleidet wurde, sondern, in Zusammenlegung damit, auch noch von dem Beflügelten Einiges darüber zu hören bekam, was sich zu On, der Sonnenstadt, zugetragen hatte und weshalb er geholt worden war: daß nämlich der Pharao wirklich höchst wichtig geträumt hatte, aber von den herbeigerufenen Traum-Propheten völlig im Stiche gelassen worden sei, was große Verlegenheit und Ungnade hervorgerufen habe, sodaß schließlich Nefer-em-Wêse, der Große des Schenktisches, vor Pharao geredet und seiner, nämlich Josephs, Erwähnung getan habe, in dem Sinne, wenn irgend Einer, so vermöge er es vielleicht, hier aus der Verlegenheit zu helfen, man solle es auf den Versuch doch ankommen lassen. Was eigentlich Pharao geträumt habe, das wußte der Eilbote nur in offenbar entstellter und sehr konfuser Form zu berichten, wie es eben aus dem Ratssaal, wo die Gelehrten ihre Niederlage erlitten hatten, zum Hofgesinde sich durchgesprochen hatte: die Majestät dieses Gottes, hieß es, habe geträumt, einmal, daß sieben Kühe sieben Ähren fräßen, und das andere Mal, daß sieben Kühe gefressen würden von sieben Ähren, – kurzum ein Zeug, wie es keinem Menschen auch nur im Traume einfällt, aber ein wenig half es dem Joseph doch auf den Weg, und seine Gedanken umspielten die Denkbilder der Nahrung, der Hungersnot und der Vorsorge.
Von Licht und Schwärze
Was sich in Wirklichkeit begeben und zu Josephs Berufung geführt hatte, war dies.
Vor einem Jahr – gegen Ende des zweiten Jahres, das Joseph im Gefängnis verbracht hatte – war Amenhotep, der Vierte seines Namens, sechzehn Jahre alt und damit volljährig geworden, so daß die Vormundschaft Teje’s, seiner Mutter, abgelaufen gewesen und die Regierung der Länder selbsttätig auf den Nachfolger Nebmarê's, des Prächtigen, übergegangen war. Damit hatte ein Zustand sein Ende gefunden, den das Volk und alle Beteiligten im Zeichen der frühen Morgensonne, des jungen, nachtgeborenen Tages erblickt hatten, wo der leuchtende Sohn noch mehr Sohn als Mann, noch der Mutter gehörig und ihres Fittichs Schützling ist, bevor er sich zur Vollmacht und Mittagshöhe seiner Männlichkeit erhebt. Da tritt Eset, die Mutter, zurück und begibt sich der Herrschaft, ob ihr auch alle Würde der Gebärerin, der Erstgewesenen, bleibt, der Quelle von Leben und Macht, und immer der Mann ihr Sohn.
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