Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
und ich will Ihm den Zehnten geben von allem, was Er mir gibt. Und bewahrheitet sich überdies, womit Er mir maßloserweise das Herz gestärkt, dann soll Ihm aus diesem Steine ein Heiligtum werden, darin Ihm Nahrung herangebracht werden soll unausgesetzt und außerdem immerfort gesalzen Räucherwerk verbrannt werden für seine Nase. Dies ist ein Gelöbnis und eine Verheißung gegen die andere, und Gott, der König, möge nun tun, was Ihm in seinem Interesse gelegen dünkt.«
Esau
So war es mit dem prächtigen Eliphas gewesen, der doch nur ein ärmlicher Junge war, verglichen mit Jaakob, dem gedemütigten Opfer seines Stolzes, der kraft seelischer Ersatzvorräte, von denen Eliphas keine Ahnung hatte, spielend triumphierte über Erniedrigungen, welche ein Knabe ihm zuzufügen vermochte, und dem immer gerade aus Zuständen tiefster Kläglichkeit die Offenbarung kam. War es denn anders gegangen mit dem Vater, als es mit dem Sohne gegangen war? Wir meinen jenes Zusammentreffen mit Esau selbst, auf das wir Jaakob gesprächsweise haben anspielen hören. In diesem Falle hatte er die Haupterhebung und große Herzstärkung vorweggenommen, zu Peni-el, in angstvoller Nacht, als er sich den Namen errang, über den Schimeon und Levi etwas lächelten. Und im Besitz des Namens also, ein Sieger im voraus, ging er dem Bruder entgegen – im tiefsten gewappnet gegen jede Erniedrigung, die sich etwa als unvermeidlich erweisen würde, gewappnet auch gegen die Unwürde der eigenen Angst vor einer Begegnung, in der sich das ungleiche Gepräge der Zwillinge so sprechend bewähren sollte.
Er wußte nicht, in welcher Gemütsverfassung Esau, von ihm selbst durch Boten benachrichtigt, weil eine Klärung des Verhältnisses unbedingt notwendig schien, sich ihm näherte. Bekannt war ihm nur durch seine Kundschafter, daß jener an der Spitze komme von vierhundert Mann, – was eine Ehrung sein konnte als Wirkung der demütigen Schmeicheleien, die er ihm hatte ausrichten lassen, möglicherweise aber auch eine große Gefahr. Er hatte seine Vorkehrungen getroffen. Er hatte sein Liebstes, Rahel und ihren Fünfjährigen, hinten bei den Lasttieren versteckt, Dina, seine Tochter, das Leakind, als tot in eine Truhe gelegt, darin sie beinahe erstickt wäre, und die anderen Kinder hinter sich ihren Müttern zugeordnet, die Kebsweiber mit den ihren voran. Er staffelte die Viehgeschenke, die er von Hirten vor sich hertreiben ließ, die zweihundert Ziegen und Böcke, die Schafe und Widder in gleicher Zahl, die dreißig säugenden Kamelstuten, die vierzig Kühe mit zehn Farren, die zwanzig Eselinnen mit ihren Füllen. Er ließ sie in Einzelherden treiben und in Abständen, damit Esau bei jeder Herde, der er begegnete, auf seine Frage erführe, das seien Geschenke für ihn, den Herrn, von Jaakob, seinem Knecht. So geschah es auch. Und wenn Esau’s Gesinnung gegen den Heimkehrenden beim Aufbruch vom Seïr-Gebirge noch sehr schwankend, zweideutig und ihm selber unklar mochte gewesen sein, so befand er sich, als er Jaakobs selbst nach fünfundzwanzig Jahren zum erstenmal wieder ansichtig wurde, bereits in der heitersten Laune.
Diese Heiterkeit nun aber gerade empfand Jaakob, so sehr er es sich hatte angelegen sein lassen, sie zu erzeugen, als höchst unangenehm, und kaum hatte er begriffen, daß er sich, für den Augenblick wenigstens, nicht zu fürchten brauche, als er auch schon Mühe hatte, seinen Widerwillen gegen Esau’s hirnlose Treuherzigkeit zu verbergen. Er vergaß nie seine Annäherung ... Rebekka’s Zwillinge waren zu jener Zeit fünfundfünfzigjährig, – das »duftige Gras« und das »stachlige Gewächs«, wie man sie schon als Knaben in der Gegend zwischen Hebron und Beerscheba genannt hatte. Aber das »duftige Gras«, der glatthäutige Jaakob, hatte es niemals sehr jugendlich getrieben, zeltfromm, sinnend und zag, wie sich der Knabe schon immer erwiesen. Jetzt aber gar hatte er vieles erlebt, Jaakob, ein Mann auf der Höhe der Jahre, würdig von Geschichten, geistig besorgt und von ihm zugewachsenem Gute schwer, – wohingegen Esau, obgleich ergraut, so gut wie der Bruder, noch immer der gedanken- und bedeutungslose, zwischen Geheul und tierischem Leichtsinn schwankende Naturbursch von ehemals zu sein schien und auch im Antlitz sich gar nicht verändert hatte; wie ja das physiognomische Heranreifen der Mehrzahl unserer Jugendgefährten darin besteht, daß sie einen Bart und auch wohl einige Runzeln in ihr Bubengesicht bekommen, welches dann
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