Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
währen möge, vor des Weibes Ratschlag und weislich umgehen die Fallstricke seiner Schalkheit! Er, Jaakob, sei gestrauchelt darin, mit ihm sei es nun aus. Ein Gesegneter, er? Aber erstens, was sei denn das für ein Vatersegen, ein irrtümlicher, gleich diesem, ein so gegen Wunsch und Willen des Empfängers erschlichener? Habe er Wert und Gewicht? Sei er von Wirkung? (Er wußte genau, daß Segen – Segen war und daß er sein volles Gewicht und volle Wirkung habe, aber er fragte so, um Eliphas zu verwirren.) Und zweitens: habe er, Jaakob, wohl Miene gemacht, des Mißgriffs Nutznießer zu spielen, als Segensträger sich breitzumachen im Hause und Esau, seinen Herrn, zu verdrängen? Ach, ganz mitnichten und gerade im Gegenteil! Das Feld räume er freiwillig dem Bruder, die reuige Rebekka selbst habe ihn fortgetrieben, ins Wildfremde ziehe er auf Nimmerwiederkehr, in die Verbannung, geradeswegs in die Unterwelt, und sein Teil sei Weinen je und je! Ihn wollte Eliphas mit des Schwertes Schärfe schlagen, – der Täuberich mit lichten Schwingen, der junge Bergstier in seiner Pracht, der bildschöne Antilopenbock? Da doch der Herr den Noah bedeutet habe, er wolle vergossenes Menschenblut zurückfordern, und da es doch heute nicht mehr sei wie zu Kains und Habels Tagen, sondern Gesetze im Lande herrschten, deren Verletzung Eliphas’ edler junger Person aufs höchste gefährlich werden könne? Um diese sei es ihm, dem hinlänglich geschlagenen Oheim, zu tun, und wenn denn er schon nunmehr, vernichtet und leicht gemacht, dahinziehe in ein Land, wo er fremd sein werde und ein Knecht, so solle doch Eliphas schwer sein von Glück und seine Mutter gesegnet unter den Kindern Heth, weil er seine Hand zurückgehalten vom Blute und seine Seele abgewendet von Missetat ...
So strömte dem Jaakob die plappernd und bettelnd angstgetriebene Rede, daß es den Eliphas nur so wunderte und ihm der Kopf wirbelte vom Schwall. Er hatte einen lachenden Räuber zu treffen erwartet und fand einen Elenden, dessen Erniedrigung Esau’s Würde vollkommen wiederherzustellen schien. Der Knabe Eliphas war gutmütig, wie sein Vater es eigentlich war. Schnell trat in seiner Seele ein feuriges Gefühl an die Stelle des anderen, die Großmut an Stelle des Zornes, und er rief aus, daß er des Oheims schonen wolle, worüber Jaakob vor Freude weinte, indem er den Saum von Eliphas’ Kleid und seine Hände und Füße mit Küssen bedeckte. Verlegenheit und leichter Ekel mischten sich in dessen Gehobenheit. Er ärgerte sich gleich ein wenig seines Wankelmutes und bestimmte rauh, das Gepäck der Flüchtlinge müsse ihm aber ausgeliefert werden, was Rebekka dem Onkel zugesteckt, gehöre Esau, dem Gekränkten. Jaakob wollte auch diesen Beschluß noch mit flüssiger Rede wenden, aber Eliphas schrie ihn verächtlich an und ließ ihn so gründlich ausplündern, daß ihm wirklich nichts blieb als das nackte Leben: Die goldenen und silbernen Gefäße, die Krüge mit feinstem Öl und Wein, die Hals- und Armringe aus Malachit und Karneol, der Weihrauch, das Honigkonfekt und was die Mutter ihm an Gewirktem und Gewobenem hatte aufpacken lassen, – alles mußte in Eliphas’ Hände geliefert sein; sogar die beiden Hörigen, die flüchtig den Hof verlassen und von denen übrigens einer von einem Lanzenwurf an der Schulter blutete, mußten sich mit ihren Tieren den Verfolgern zur Rückkehr anschließen, – und dann durfte Jaakob allein, nur ein paar irdene Krüge mit Wasser am Sattel, seinen dunklen Weg gen Osten, wer weiß, in welcher Gemütsverfassung, fortsetzen.
Die Haupterhebung
Er hatte sein Leben gerettet, sein kostbares Verheißungsleben, für Gott und die Zukunft, – was wog dagegen wohl Gold und Karneol? Auf das Leben kam hier alles an, und Jung-Eliphas war im Grunde glänzender geprellt als sein Erzeuger, aber was hatte es gekostet! Wohl mehr als das Reisegepäck – die Mannesehre ganz und gar; und geschändeter konnte niemand sein als Jaakob, der vor einem Milchbart auf der Stirn hatte winseln müssen und dessen Gesicht von Tränen und hineingeschmiertem Staube ganz entstellt war. Und dann? Und unmittelbar nach solcher Entwürdigung?
Unmittelbar oder wenige Stunden danach, am Abend, bei Sternenschein, war er zu der Stätte Luz gelangt, einer Ortschaft, die er nicht kannte, da überhaupt diese ganze Gegend ihm schon fremd war, – gelegen an einem der zumeist terrassierten und mit Wein bepflanzten Hügel, in denen die Landschaft hinschwang. Die wenigen
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