Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Ihm überläßt sie die Macht; aber er übt sie aus für sie, wie sie sie ausübte für ihn.
Teje, die Muttergöttin, die geherrscht und das Leben der Länder gehütet hatte schon in den Jahren, da ihr Gemahl der Vergreisung des Rê verfallen war, tat den geflochtenen Bart des Usir von ihrem Kinn, den sie getragen hatte, wie Hatschepsut, der Pharao mit Brüsten, und übergab ihn dem jungmännlichen Sonnensohn, dem er nicht viel weniger sonderbar zu Gesichte stand als ihr, wenn er ihn bei höchst feierlichen Gelegenheiten umband, – bei solchen nämlich, die ihn gleichzeitig zwangen, geschwänzt zu erscheinen, will sagen: hinten an seinem Schurz einen Schakalschwanz zu befestigen, dies tierische Attribut, das aus irgendwelchen vergessenen, aber im Dunkel aufbewahrten und heilig gehaltenen Ur-Gründen zum alt-strengsten Ornat des Königs gehörte, und von dem man bei Hofe wußte, daß er Jung-Pharao verhaßt war, weil es nicht günstig auf seinen Magen wirkte, den Ur-Schwanz zu tragen, und Seine Majestät dabei zu Übelkeiten neigte, die ihn sehr blaß, ja grünlich machten, – was aber zu den Anwandlungen gehörte, denen sein Befinden ohnedies, ganz von selbst und auch ohne den Urschwanz ausgesetzt war ...
Alle Beobachtung müßte täuschen, wenn nicht die Übertragung der Königsgewalt von der Gebärerin auf den Sohn von Zweifeln begleitet gewesen wäre, ob man nicht besser täte, sie zu verschieben oder überhaupt davon abzusehen und die junge Sonne unter dem Schutz des Fittichs ein für allemal zu belassen. Die Gottesmutter selbst hegte diese Zweifel, ihre obersten Ratgeber hegten sie, und ein Gewaltiger, den wir kennen, suchte sie zu nähren: Beknechons, der Gestrenge, der Große Prophet und Oberste Hausbetreter des Amun. Nicht daß er ein Diener der Krone gewesen wäre und etwa noch, wie mehrere seiner Vorgänger es wirklich getan, das Amt des Wesirs, des Hauptes der Länderverwaltung, mit dem des Hohenpriesters verbunden hätte. Schon König Nebmarê, Amenhotep der Dritte, hatte sich bewogen gesehen, die geistliche von der bürgerlichen Gewalt zu trennen und weltliche Männer als Wesire des Südens und Nordens einzusetzen. Aber als Mund des Reichsgottes hatte Beknechons ein Recht auf das Ohr der Regentin, und sie lieh es ihm mit gebotener Höflichkeit, wenn auch wohl wissend, daß es die Stimme politischer Nebenbuhlerschaft war, der sie es neigte. Sie hatte entschiedenen Anteil gehabt an jenem Beschluß ihres Gemahls, das bedrohlich Vereinigte zu trennen; denn notwendig schien ihr, die Macht des schweren Collegiums von Karnak zurückzudämmen und einem Übergewicht vorzubeugen, das nicht seit gestern drohte, und dessen Abwehr ein königliches Erbgeschäft alter Tage war. Daß Tutmose, Meni’s Ältervater, zu Füßen der Sphinx seinen Verheißungstraum geträumt und sie vom Sande befreit hatte, indem er den Herren des vorzeitlichen Riesenbildes, Harmachis-Chepere-Atum-Rê seinen Vater nannte, dem er die Krone verdanke, war, wie jeder verstand und wie auch Joseph wohl zu verstehen gelernt hatte, nichts als die hieroglyphische Umschreibung dieser Abwehr gewesen, die religiöse Festung politischer Selbstbehauptung. Und niemandem entging, daß die Hervorbildung des neuen Gestirngottes Atôn, die schon am Hofe des Sohnes Tutmose’s ihren Anfang genommen hatte, und um die des Enkels Gedanken so liebevoll bemüht waren, darauf abzielte, Amun-Rê aus seiner gewalttätigen Verbindung mit der Sonne, der er seine Allgemeingültigkeit verdankte, zu lösen, und seine Übermacht auf den Rang einer Lokalgröße, des Stadtgottes von Wêset zurückzuführen, der er vor jenem politischen Schachzug gewesen war.
Es heißt die Einheit der Welt verkennen, wenn man Religion und Politik für grundverschiedene Dinge hält, die nichts miteinander zu schaffen hätten noch haben dürften, sodaß das Eine entwertet und als unecht bloßgestellt wäre, wenn ihm ein Anschlag vom Anderen nachgewiesen würde. In Wahrheit tauschen sie das Gewand, wie Ischtar und Tammuz das Schleiergewand tragen im Austausch, und das Weltganze ist es, das redet, wenn eines des anderen Sprache spricht. Auch redet es noch in anderen Sprachen, zum Beispiel durch die Werke des Ptach, die Bildungen des Geschmacks, der Geschicklichkeit und des Weltschmucks, die für eine ganz eigene Sache zu erachten, welche aus der Welteinheit fiele und mit Religion und Politik nichts zu schaffen hätte, ebenso närrisch wäre. Joseph wußte sehr wohl, daß Jung-Pharao – sogar
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