Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
getan hätte, und das man, statt einen Grund der Unmündigkeit daraus zu machen, viel besser gegen Amun ausnutzte, dessen geheimes Vorhaben, die Doppelkrone mit seinem Feder-Kopfputz zu vereinigen und selbst die Dynastie zu stellen, im Hintergrund aller Dinge lauerte.
Darum denn hatte die mütterliche Nacht dem Sohne die volle Herrschgewalt seiner mittäglichen Männlichkeit überlassen. Genaueste Beobachtung aber lehrt, daß dieser selbst, Amenhotep, dem Ereignis zwiespältige Gefühle entgegenbrachte, daß er nicht nur Stolz und Freude, sondern auch Beklemmung darüber empfand und alles in allem vielleicht lieber unter dem Fittich verblieben wäre. Aus einem Einzelgrunde hatte er den Termin seiner Volljährigkeit sogar mit Grauen erwartet: es war der, daß hergebrachter Weise Pharao zu Beginn seiner Regierung in seiner Eigenschaft als oberster Feldherr persönlich einen Kriegs- und Plünderzug, sei es ins Asiatische oder in die Negerländer, unternahm, nach dessen glorreicher Beendigung er an der Grenze feierlich empfangen wurde und, in die Hauptstadt zurückgekehrt, dem starken Amun-Rê, der die Fürsten von Zahi und Kusch unter seine Füße geworfen in ihren Ländern, nicht nur einen fetten Teil der Beute zum Opfer brachte, sondern ihm auch mit eigener Hand ein halbes Dutzend Gefangene möglichst hohen und notfalls künstlich erhöhten Ranges schlachtete.
Zu dieser ganzen Förmlichkeit aber wußte der »Herr des süßen Hauches« sich völlig außerstande und wurde sofort, verzerrten Gesichts, von Blässe und Grünlichkeit befallen, wenn davon die Rede war oder wenn er nur daran dachte. Er verabscheute den Krieg, der die Sache Amuns sein mochte, aber weit entfernt war, diejenige »meines Vaters Atôn« zu sein, der sich seinem Sohn vielmehr in einem jener heilig-bedenklichen Abwesenheitszustände ausdrücklich als »Herr des Friedens« zu erkennen gegeben hatte. Meni konnte weder mit Roß und Wagen zu Felde ziehen, noch plündern, noch den Amun mit Beute beschenken, noch ihm fürstliche oder angeblich fürstliche Gefangene schlachten. Er konnte und wollte das alles nicht einmal andeutungsweise und zum Scheine tun, und er weigerte sich, an den Tempelwänden und Torwegen abgebildet zu werden, wie er vom hohen Streitwagen mit Pfeilen in erschreckte Feinde schoß, oder wie er ein Rudel von solchen mit einer Hand an ihren Schöpfen hielt und mit der anderen die zerschmetternde Keule über ihnen schwang. Das alles war ihm, das heißt: seinem Gotte und daher ihm, unerträglich und unmöglich. Hof und Staat mußten sich klar darüber sein, daß der Antritts-Plünderungszug auf keinen Fall stattfinden konnte, und am Ende war er mit guten Worten zu umgehen. Man konnte mitteilen, die Länder des Erdkreises rings umher lägen Pharao ohnedies in solcher Ergebenheit zu Füßen, und ihre Tribute strömten so pünktlich und in solchem Überfluß, daß sich jeder Kriegszug erübrige und Pharao seinen Regierungsantritt gerade dadurch zu verherrlichen wünsche, daß nichts dergleichen stattfinde. Und so geschah es.
Aber auch nach dieser Erleichterung blieben Meni’s Gefühle gemischt beim Eintritt seiner Mittäglichkeit. Er verhehlte sich nicht, daß er es als Selbstherrscher mit dem Weltganzen nach seinem vollen Umfange und in allen seinen Sprachen und Redeweisen unmittelbar zu tun bekam, während ihm bis dahin vergönnt gewesen war, es nur unter einem bestimmten und innig bevorzugten Gesichtswinkel, dem religiösen, ins Auge zu fassen. Nicht in Anspruch genommen von irdischen Geschäften, hatte er unter den Blumen und Fremdbäumen seines Gartens von seinem liebevollen Gotte träumen, ihn hervordenken und darüber nachsinnen dürfen, wie sein Wesen am besten in einen Namen zu fassen und im Bilde anzudeuten sei. Das war verantwortungsvoll und anstrengend genug gewesen, aber er liebte es und ertrug gern die Kopfschmerzen, die es ihm machte. Nun mußte er tun und bedenken, was ihm ganz ungeliebte Kopfschmerzen machte. Allmorgendlich, wenn ihm der Schlaf noch in Haupt und Gliedern lag, erschien vor ihm der Wesir des Südens, ein hoher Mann mit einem Kinnbärtchen und zwei goldenen Halsringen, namens Ramose, begrüßte ihn einleitend mit einer feststehenden, litaneiartigen und sehr blumig-langatmigen Ansprache und setzte ihm dann mehrere Stunden lang an der Hand wunderbar gefertigter Schriftrollen mit laufenden Verwaltungsgeschäften zu, mit Gerichtsurteilen, Steuerregistern, neuen Kanalanlagen, Fundamentlegungen, Fragen der
Weitere Kostenlose Bücher