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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Bauholzbeschaffung, Fragen der Errichtung von Steinbrüchen und Bergwerken in der Wüste und so fort, indem er Pharao mitteilte, was dessen schöner Wille in all diesen Beziehungen sei, und dann den schönen Willen mit aufgehobenen Händen bewunderte. Es war Pharao’s schöner Wille, die und die Wüstenstraße zu bereisen, um geeignete Plätze für Brunnen und Haltestationen zu bezeichnen, die vorher schon von anderen, welche mehr davon verstanden, festgesetzt worden waren. Es war sein bewundernswert schöner Wille, den Stadtgrafen von El-Kab vor sein Gesicht kommen zu lassen und ihn ins Verhör zu nehmen, warum er seine Amtssteuer an Gold, Silber, Rindvieh und Leinwand so unpünktlich und sogar unvollständig an das Schatzhaus zu Theben zahle. Gleich übermorgen ins elende Nubien aufzubrechen war sein erhabener Wille auch, um dort die feierliche Gründung oder Eröffnung eines Tempels vorzunehmen, der meist dem Amun-Rê gewidmet war und also für sein Gefühl keineswegs die Erschöpfung und Kopfschmerzen lohnte, die die beschwerliche Reise ihm zufügte.
    Überhaupt nahm der obligate Tempeldienst, das schwerfällige Ritual des Reichsgottes einen großen Teil seiner Zeit und seiner Kräfte in Anspruch. Das hatte nach außenhin sein schöner Wille zu sein, war es aber innerlich keineswegs, da es ihn hinderte, an den Atôn zu denken und ihm außerdem die Gesellschaft Beknechons’, des volkszüchtigen Amunsmannes auferlegte, den er nicht leiden konnte. Umsonst hatte er seiner Hauptstadt den Namen »Stadt des Glanzes Atôns« zu verleihen versucht; beim Volke drang dieser Name nicht durch, die Priesterschaft ließ ihn nicht aufkommen, und Wêset war und blieb nun einmal Nowet-Amun, die Stadt des großen Widders, der durch den Arm seiner königlichen Söhne die Fremdländer unterworfen und Ägypten reich gemacht hatte. Schon damals ging Pharao heimlich mit dem Gedanken um, seine Residenz von Theben wegzuverlegen, wo das Bild Amun-Rê's von allen Wänden, Torwegen, Säulen und Obelisken leuchtete und sein Auge ärgerte. Allerdings dachte er noch nicht an die Gründung einer neuen und eigenen, ganz dem Atôn geweihten Stadt, sondern faßte nur die Übersiedelung des Hofs nach On an der Spitze des Dreiecks ins Auge, wo er sich viel wohler fühlte. Er besaß dort, in der Nähe des Sonnentempels, einen angenehmen Palast, nicht so glänzend wie Merima’t im Westen von Theben, aber mit allen Bequemlichkeiten versehen, deren seine Zartheit bedurfte; und oft hatten die Hofchronisten Reisen des Guten Gottes zu Schiff und Wagen nach On hinab zu verzeichnen. Zwar saß dort der Wesir des Nordens, der die Verwaltung und Gerichtsbarkeit aller Gaue zwischen Siût und den Mündungen unter sich hatte und sich ebenfalls beeilte, ihm Kopfschmerzen zu machen. Aber der Amunsräucherei wenigstens, unter der Aufsicht Beknechons’, war Meni hier überhoben und genoß es sehr, sich mit den lehrhaften Spiegelköpfen vom Hause des Atum-Rê-Horachte über die Natur dieses herrlichen Gottes, seines Vaters, und über sein inneres Leben zu unterhalten, das trotz seines ungeheuren Alters noch so frisch und regsam war, daß es sich der schönsten Wandlungen, Läuterungen und Fortbildungen fähig erwies, und daß, wenn man es so ausdrücken durfte, aus dem alten Gotte, mit Hilfe menschlicher Gedankenarbeit, langsam, aber immer vollendeter, ein neuer, unsagbar schöner, hervortrat, nämlich der wundervolle, aller Welt leuchtende Atôn.
    Wenn man sich ihm ganz hätte hingeben und nur sein Sohn, Geburtshelfer, Verkünder und Bekenner hätte sein dürfen, statt außerdem noch König von Ägypten und der Nachfolger derer zu sein, die Keme’s Grenzsteine weit hinaus gesetzt und es zum Weltreich gemacht hatten. Ihnen und ihren Taten war man verpflichtet; man war verpflichtet auf sie und auf ihre Taten, und es stand zu vermuten, daß man Beknechons, den Amunsmann, der dies beständig hervorhob, darum nicht leiden konnte, weil er Recht hatte mit seiner Hervorhebung. Will sagen: Jung-Pharao selbst vermutete dies; es war eine Vermutung seines heimlichsten Gewissens. Er vermutete, daß es nicht nur ein anderes war, ein Weltreich zu gründen, und ein anderes, einem Weltgott ins Leben zu helfen, sondern daß diese zweite Beschäftigung möglicherweise auch in einem irgendwie gearteten Widerspruch stand zu der königlichen Aufgabe, die ererbte Schöpfung zu bewahren und aufrecht zu erhalten. Auch die Kopfschmerzen, die ihm die Augen zudrückten, wenn die Wesire des

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