Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ganz auf eigene Hand und ohne das beratende Zutun seiner Frau Mutter – den Angelegenheiten der bildenden Weltverzierung eine eifrige, ja eifernde Aufmerksamkeit widmete, – nämlich in genauem Zusammenhang mit der Anstrengung, die er es sich kosten ließ, den Gott Atôn nach seiner Wahrheit und Reinheit hervorzudenken, – und daß er Veränderungen und verwunderlichen Lockerungen des Altverharrenden auf diesem Gebiete nachhing, wie sie seiner Meinung nach den Wünschen und der Gesinnung dieses seines geliebten Gottes entsprachen. Das war ihm ganz offenbar eine Herzenssache, die er um ihrer selbst willen, nach seiner Überzeugung von dem, was wahr und lustig war in der Welt der Bilder, betrieb.
Aber hatte es deshalb nichts mit Religion und Politik zu tun? Seit Menschengedenken, oder, wie die Kinder Keme’s zu sagen liebten: seit Millionen Jahren unterstand die Bilderwelt heilig bindenden und, wenn man wollte, allerdings etwas steifen Gesetzen, deren bewahrender Schutzherr Amun-Rê war in seiner Kapelle, oder, für ihn, seine schwere Priesterschaft. Diese Fesselung der Gestalten zu lockern oder gar völlig aufzuheben um einer neuen Wahrheit und Lustigkeit willen, die Gott Atôn dem Pharao offenbart hatte, war ein Stirnschlag für Amun-Rê, den Herrn einer Religion und Politik, welche mit einer bestimmten geheiligten Bildgesinnung unlöslich zusammenhingen. In Pharao’s lockernden Lehrmeinungen darüber, wie man bilden solle, redete das Weltganze die Sprache des schönen Geschmacks, eine Sprache unter anderen, in denen sich’s ausdrückt. Denn mit dem Ganzen der Welt und ihrer Einheit hat der Mensch es immer und an jedem Punkte zu tun, ob er es weiß oder nicht.
Für Amenhotep nun, den Königsknaben, der es wissen mochte, war das Weltganze augenscheinlich etwas zuviel; seine Kräfte schienen zu zart dafür, er trug zu schwer daran. Oft war er blaß und grünlich, auch ohne daß der Tierschwanz ihm zugemutet worden wäre, und Kopfschmerzen quälten ihn, daß er die Augen nicht offen halten konnte und ein über das andere Mal erbrechen mußte. Dann war er gezwungen, Tage lang im Dunkeln zu liegen – er, dessen ganze Liebe das Licht und die in liebkosend-lebensspendende Hände endigenden Strahlen seines Vaters Atôn, diese goldene Verbindung des Himmels mit der Erde, waren. Selbstverständlich war es bedenklich, wenn ein regierender König jeden Augenblick durch solche Anfälligkeiten an der Erfüllung seiner Repräsentationspflichten, als da sind: Opferhandlungen und Einweihungen, sogar an dem Empfang seiner Großen und seiner vortragenden Räte gehindert war. Doch leider noch mehr: Man konnte nie wissen, was Seiner Majestät mitten in der Erfüllung dieser Pflichten, im Angesicht seiner Großen und Räte oder gar des zu Hauf gekommenen Volkes unversehens zustoßen mochte. Es mochte dabei geschehen, daß Pharao, die Daumen von den vier anderen Fingern umklammert und die Augäpfel unter den halbgeschlossenen Lidern weggedreht, in eine nicht geheuere Abwesenheit fiel, die zwar nicht lange dauerte, aber die in Gang befindliche Handlung oder Beratung immerhin auf eine verstörende Weise unterbrach. Er selbst erklärte diese Zufälle als jähe Heimsuchungen durch seinen Vater, den Gott, und fürchtete sie weniger, als er ihnen mit einer gewissen erwartungsvollen Begierde entgegensah! Denn bereichert um authentische Belehrungen und Offenbarungen über die schöne und wahre Natur des Atôn kehrte er aus ihnen an den Tag zurück.
Es ist also nicht zu verwundern noch zu bezweifeln, daß der Beschluß erwogen worden war, es auch nach eingetretener Volljährigkeit der jungen Sonne bei dem morgendlichen Zustande der Überschattung durch den nächtlichen Fittich sein Bewenden haben zu lassen. Dieser Beschluß war jedoch nicht zur Reife gediehen, man hatte ihn, gegen die Vorstellungen Amuns, zuletzt von der Hand gewiesen. Soviel auch dafür, sprachen übergewichtige Gründe dagegen. Unratsam war es, der Welt zuzugestehen, daß Pharao krank oder so kränklich war, daß er die Regierung nicht ausüben konnte; das war dem Wohle des erblich herrschenden Sonnengeschlechtes entgegen und hätte gefährliche Mißverständnisse im Reich und in den tributpflichtigen Bezirken zeitigen können. Dazu aber trug Pharao’s Anfälligkeit ein Gepräge, das nicht erlaubte, einen gültigen Grund für seine fortdauernde Bevormundung darin zu sehen: ein heiliges Gepräge, das seiner Volkstümlichkeit eher zustatten kam, als daß es ihr Abtrag
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