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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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diesen schönen Beschluß geäußert, worauf er einen großen Wagen aus Elektron bestiegen habe, zusammen mit Nofertit, genannt Nefernefruatôn, der Königin der Länder, deren Leib fruchtbar war, und die den Arm um ihn geschlungen hatte, – und wie er leuchtend den schönen Weg dahin geflogen sei, gefolgt, in anderen Wagen, von Teje, der Mutter Gottes, von Nezemmut, der Schwester der Königin, von Baketatôn, seiner eigenen Schwester, und vielen Kämmerlingen und Damen des Weiberhofs, mit Wedeln von Straußenfedern auf ihren Rücken. Auch die himmlische Barke »Stern beider Länder« hatte streckenweise zur Reise gedient, und die Chronisten hatten verzeichnet, wie Pharao unter ihrem Baldachin eine gebratene Taube verzehrt, auch der Königin das Knöchlein gehalten, davon sie speiste, und ihr Zuckerwerk in den Mund geschoben habe, nachdem er es in Wein getaucht.
    Zu On war Amenhotep in seinem Palaste im Tempelbezirke eingekehrt und hatte dort die erste Nacht, erschöpft von der Reise, traumlos geschlafen. Den folgenden Tag hatte er damit begonnen, dem Rê-Horachte ein Opfer von Brot und Bier, Wein, Vögeln und Weihrauch darzubringen, hatte danach den Wesir des Nordens angehört, der lange vor ihm redete, und dann, der Kopfschmerzen ungeachtet, die er sich dabei zugezogen, den ganzen Rest des Tages den ersehnten Gesprächen mit Hausbetretern des Gottes gewidmet. Der Hauptgegenstand dieser Beratungen, der Amenhotep gerade damals tief beschäftigte, war der Vogel Bennu gewesen, auch »Sproß des Feuers« genannt, weil es hieß, daß er mutterlos und eigentlich auch sein eigener Vater sei, da Sterben und Entstehen für ihn dasselbe seien, indem er sich nämlich in seinem Nest aus Myrrhen verbrenne und aus der Asche als junger Bennu wieder hervorgehe. Dies geschehe, behaupteten einige Lehrer, alle fünfhundert Jahre und zwar im Sonnentempel zu On, woselbst der Vogel, der seiner Gestalt nach ein reiherähnlicher Adler und golden-purpurn von Farbe sein sollte, von Osten her, aus Arabien oder auch Indien kommend, zu diesem Geschäft sich einfinde. Andere aber wollten wissen, er bringe ein Ei dorthin, aus Myrrhen gemacht und so groß er es tragen könne, worin er seinen verstorbenen Vater, also eigentlich sich selbst, verschlossen habe, und lege es auf den Sonnenaltar nieder. Diese beiden Aussagen mochten nebeneinander bestehen – es besteht so vieles nebeneinander, und verschiedene Dinge mögen gleich wahr und nur verschiedene Ausdrucksformen derselben Wahrheit sein. Was aber Pharao erstens zu wissen oder was er doch zu erörtern wünschte, war, wie weit die Zeitperiode von fünfhundert Jahren, die zwischen den Geburten und Ei-Niederlegungen des Feuersprossen lag, wohl vorgeschritten sei, und wie weit man sich also von seinem letzten Eintreffen einerseits und von seiner nächsten Ankunft andererseits befinde, kurz, an welchem Punkte des Phönix-Jahres man halte. Die Meinung der Priester ging überwiegend dahin, daß man ungefähr in der Mitte des Zeitraums schweben müsse; denn wenn man noch nahe an seinem Anfange stände, so müßte eine Erinnerung an das letzte Erscheinen Bennu’s vorhanden sein, was nicht der Fall sei. Befände man sich aber nahe dem Ende und Wiederbeginn der Periode, so müßte mit der nahen oder gar unmittelbar bevorstehenden Rückkehr des Zeitvogels zu rechnen sein. Man rechne aber nicht damit, zu eigenen Lebzeiten diese Erfahrung zu machen, und darum sei jener Mittel-Schluß geboten. Ja, Einige gingen so weit, zu vermuten, man werde allezeit in der Mittelschwebe verharren, und das Geheimnis bestehe eben darin, daß der Abstand von der letzten Wiederkehr des Phönix einerseits und seiner nächsten andererseits immer derselbe und immer ein mittlerer sei. Doch war nicht dies Geheimnis für Pharao die Hauptsache und der brennende Punkt. Der brennende Punkt, zu dessen Erörterung er hauptsächlich gekommen war, und den er denn auch den halben Tag mit den Spiegelköpfen erörterte, war die Lehr-Aussage, daß das Myrrhen-Ei des Feuervogels, in das er den Körper seines Vaters verschließe, dadurch, daß er dies tue, nicht schwerer werde . Denn er mache es ohnedies so groß und schwer, daß er es eben noch tragen könne, und wenn er es auch noch zu tragen vermöge, nachdem er den Vater darin verschlossen, so sei klar, daß es durch dessen Körper an Gewicht nicht zunehme.
    Das war ein aufregendes und entzückendes Faktum in Jung-Pharao’s Augen, der angelegentlichsten Erörterung wert und von

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