Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Südens und Nordens ihm mit Reichsgeschäften zusetzten, waren mit Vermutungen verbunden, dahingehend, oder eigentlich nicht bis ganz dahin gehend, aber in der Richtung verlaufend, daß jene, nämlich die Kopfschmerzen, nicht so sehr in Ermüdung und Langerweile gründeten, als vielmehr in der undeutlichen, aber beunruhigenden Einsicht in den Widerstreit zwischen der Hingabe an die geliebte Atôn-Theologie und den Aufgaben eines Königs Ägyptenlandes. Mit anderen Worten: es waren Gewissens- und Konflikts-Kopfschmerzen, und sie wurden dazu noch als solche verstanden, was sie nicht besser, sondern schlimmer machte und das Heimweh verstärkte nach dem Zustande der morgendlichen Überschattung durch den Fittich der mütterlichen Nacht.
Kein Zweifel, damals war nicht nur er besser aufgehoben gewesen, sondern auch das Land. Denn ein Erdenland und sein Gedeihen ist immer besser aufgehoben bei der Mutter, möge auch das Überirdische besser aufgehoben sein in den Gedanken des Sohnes. Dies war Amenhoteps heimliche Überzeugung, und es war wohl der Geist Ägyptenlandes selbst, der Isisglaube der schwarzen Erde, der sie ihm einflößte. In seinen Gedanken unterschied er zwischen dem stofflichen, irdischen, natürlichen Wohl der Welt und ihrem geistig-geistlichen, wobei er die unbestimmte Befürchtung hegte, diese beiden Anliegen möchten nicht nur nicht übereinstimmen, sondern vielmehr einander von Grund aus widerstreiten, sodaß es eine schlimme, Kopfschmerzen erzeugende Schwierigkeit bedeutete, mit beiden auf einmal betraut, zugleich König und Priester zu sein. Das stofflich-natürliche Wohl und Gedeihen war Sache des Königs oder eigentlich: – es war viel besser einer Königin Sache und Sorge, die Sorge und Sache der Mutter, der großen Kuh, – damit der Priester-Sohn in Freiheit und ohne Verantwortung fürs stoffliche Wohl dem geistigen nachhängen und seine Sonnengedanken spinnen könne. Die königliche Verantwortung fürs Stoffliche drückte Jung-Pharao. Die Idee seines Königtums war ihm verbunden mit der Vorstellung der schwarzen ägyptischen Ackerkrume, zwischen Wüste und Wüste, – schwarz und fruchtbar von schwängernder Feuchte. Er aber hatte seine Schwärmerei fürs reine Licht, für den goldenen Sonnenjüngling der Höhe, – und er hatte kein gutes Gewissen dabei. Immerfort erstattete der Wesir des Südens, dem alles gemeldet wurde, sogar der Früh-Aufgang des Hundssterns, der anzeigt, daß die Wasser zu schwellen beginnen, – immerfort hielt dieser Ramose ihn auf dem Laufenden über den Stand des Stromes, die Aussichten der Überschwemmung, der Befruchtung, der Ernte, und Meni, so aufmerksam, ja besorgt er zuhörte, kam es vor, als hätte der Mann sich lieber, wie früher, an die Mutter, die Isis-Königin, damit wenden sollen, die diesen Dingen verwandter war, in deren Obhut sie besser geborgen waren. Dennoch kam auch für ihn, wie für das Land, alles darauf an, daß es mit den schwarzen Dingen der Fruchtbarkeit seine segensvolle Richtigkeit habe und kein Versagen und Ausfall sich dabei ereignete; es blieb an ihm hängen, wenn dergleichen vorkam. Nicht umsonst hielt das Volk sich einen König, der Gottes Sohn war, und also in Gottes Namen doch wohl eine Sicherung darstellte gegen das Stocken heilig-notwendiger Vorgänge, auf die sonst niemand einen Einfluß hatte. Fehlschläge und Gemeinschaden im Bereich der Schwärze bedeuteten notwendig eine Enttäuschung für das Volk in Hinsicht auf ihn, dessen bloße Existenz dem hätte vorbeugen sollen, und eine Erschütterung seines Ansehens, das er doch notwendig brauchte, um der schönen Lehre, der Lehre Atôns und seiner himmlischen Lichtnatur, zum Sieg zu verhelfen.
Das war eine Klemme und eine Beklemmung. Er hatte kein Verhältnis zur unteren Schwärze, sondern liebte einzig das obere Licht. Ging’s aber nicht glatt und gut mit der nahrhaften Schwärze, so war’s um seine Autorität geschehen als Lehrer des Lichtes. Darum waren Jung-Pharao’s Empfindungen so zwiegespalten, als die mütterliche Nacht den Fittich von ihm nahm und ihm das Königtum überließ.
Die Träume des Pharao
Nun also hatte Pharao sich wieder einmal nach dem lehrhaften On begeben, aus unüberwindlichem Verlangen, dem Bannkreise Amuns zu entkommen und sich mit den Blankschädeln des Sonnenhauses über Harmachis-Chepere-Atum-Rê, den Atôn, zu unterhalten. Die Hofchronisten hatten in gebückter Haltung und mit gespitzten Mündern zärtlich aufgeschrieben, wie Seine Majestät
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