Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
schamlos freches, zudringlich mörderisches Gebaren sehen, das man ihrer Hinfälligkeit nicht zugetraut hätte, und das doch wieder auch nur zu gut zu ihr paßte, denn es war des Hungers wüstes Gebaren. Pharao sieht: die Jammer-Herde macht sich an die blanke heran, die scheußlichen Kühe bespringen die wundervollen, wie Kühe es wohl machen, wenn sie den Bullen spielen, und dabei frißt und schlingt das Elendsvieh das Prachtvieh in sich hinein und vertilgt’s reinweg von der Weide, – steht aber danach auf dem Fleck so ausgemergelt wie je zuvor und ist ihm von Füllung nichts anzumerken.
Hier endete dieser Traum, und Pharao fuhr aus dem Schlaf in Schweiß und Sorge. Er setzte sich auf, blickte schlagenden Herzens umher im mild beleuchteten Schlafgemach und fand, daß es ein Traum gewesen, aber ein so beredter und nahe gehender, daß seine Zudringlichkeit wie die des verhungerten Flußvieh’s gewesen war und dem Träumer kalt in den Gliedern lag. Er mochte sein Bett nicht mehr, stand auf, zog den weiß-wollenen Nachtrock an und ging im Zimmer umher, indem er dem zudringlichen, zwar unsinnigen, aber handgreiflich deutlichen Traume nachsann. Gern hätte er den Kammersklaven geweckt, um ihm den Traum zu erzählen, oder vielmehr, um zu versuchen, ob, was er gesehen, in Worten wiederzugeben sei. Doch war er zu zartfühlend, den Alten zu stören, den er bis tief in die Nacht hatte warten lassen, und setzte sich in den kuhfüßigen Armstuhl zur Seite des Bettes, hüllte sich enger in den mond-milden Nachtmantel und schlummerte, die Füße auf dem Schemel, in einen Winkel des Stuhles gedrückt, unvermerkt wieder ein.
Kaum war er aber entschlafen, so träumte er wieder, – es half nichts, abermals oder immer noch stand er einsam am Ufer mit Krone und Schweif, und ist da ein geackerter Feldfleck von schwarzer Erde. Und er sieht: die Fruchterde kräuselt sich und wirft sich ein wenig auf, und ein Halm wächst hervor, an dem sprießen sieben Ähren, eine nach der anderen, alle an einem Halm, fette und pralle Ähren, strotzend von Frucht und nicken gülden in Trächtigkeit. Da will sich das Herz erheitern, kann’s aber nicht, denn an dem Halm sprießt es nach hinterdrein: noch einmal sieben Ähren kommen hervor, trostlose Ähren, taub, tot und dürr, versengt vom Ostwind, geschwärzt von Kornbrand und Rost, und wie sie lumpig hervorgehen unter den fetten, so schwinden diese dahin, als schwänden sie in jene hinein, und ist nicht anders, als ob die Kummer-Ähren die fetten verschlängen, gleichwie vorhin die Elendskühe die blanken verschlangen, und werden auch nicht fetter und voller davon. Dieses sah Pharao handgreiflich mit Augen, fuhr auf im Stuhl und fand, daß es wieder ein Traum gewesen.
Ein lächerlich krauser Traum noch einmal, von stiller Tollheit, aber so zudringlich nahehin zum Gemüte redend, mit Warnung und Weisung, daß Pharao danach bis zum glücklicherweise schon nahen Morgen überhaupt nicht mehr schlafen konnte, noch auch nur schlafen wollte, sondern immerfort, zwischen Bett und Lehnstuhl wechselnd, der deutungsbedürftigen Deutlichkeit dieses an einem Halme gewachsenen Traumpaares nachsann, – fest entschlossen schon jetzt, dergleichen Träume auf keinen Fall schweigend hingehen zu lassen und sie für sich zu behalten, sondern einen casus daraus zu machen und Lärm zu schlagen um ihretwillen. Er hatte Krone, Krummstab und Schwanz getragen dabei, es waren Königsträume, von Reichsbelang ohne Zweifel, höchst auffällige, mit Sorge getränkte Träume, es war ganz unvermeidlich, sie an die große Glocke zu hängen und alles aufzubieten, um ihnen beizukommen und ihnen auf den Grund ihrer offenbar bedrohlichen Meinung zu sehen. Meni war geradezu empört über seine Träume und haßte sie, je länger, je mehr. Ein König ließ sich nicht solche Träume gefallen – obgleich sie auch wieder wohl nur einem Könige zustoßen konnten. Unter ihm, Nefer-cheperu-Rê-Wanrê-Amenhotep, durfte dergleichen sich nicht ereignen, daß irgendwelche Greuel-Kühe so schöne, fette fraßen und trostlose Brand-Ähren so gülden-pralle verschlangen; nichts durfte geschehen, was im Bereich des Geschehens dieser abscheulichen Bilderrede entsprach. Denn an ihm würde es hängenbleiben, sein Ansehen würde erschüttert sein, die Ohren und Herzen würden sich der Verkündigung des Atôn verschließen, und Amun würde der Nutznießer sein. Dem Lichte drohte Gefahr vonseiten der Schwärze, dem Geistig-Gewichtlosen drohte solche vom
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