Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Weltwichtigkeit. Fügte man einem Körper einen anderen hinzu, und er wurde nicht schwerer durch ihn, so hieß das, daß es unstoffliche Körper gab, – anders und besser gesagt: unkörperliche Wirklichkeiten, immateriell wie das Sonnenlicht, – wieder anders und noch besser gesagt: es gab das Geistige; und dieses Geistige war ätherisch verkörpert in dem Bennu-Vater, den das Myrrhen-Ei aufnahm, indem es dadurch seinen Charakter als Ei in der aufregendsten und bedeutsamsten Weise veränderte. Das Ei überhaupt war ein Ding entschieden weiblicher Spezifität, einzig die Weibchen unter den Vögeln legten Eier, und nichts konnte mütterlich-weiblicher sein als das große Ei, aus dem einst die Welt hervorgegangen. Bennu aber, der Sonnenvogel, mutterlos und sein eigener Vater, formte sein Ei selbst, ein Gegen-Weltei, ein männliches Ei, ein Vater-Ei, und legte es als eine Kundgebung von Vatertum, Geist und Licht auf den Alabaster-Tisch der Sonnengottheit nieder.
Nicht genug hatte Pharao diese Angelegenheit und die Bedeutung, die sie für die zu erdenkende Natur des Atôn besaß, mit den Sonnen-Kalendermännern vom Tempel des Rê erörtern können. Er tat es bis tief in die Nacht, er tat es bis zum Exzeß, er schwelgte in goldener Immaterialität und Vatergeist, und als die Hausbetreter schon übermüdet waren und ihnen die Blankköpfe herabfielen, war er des Gespräches noch immer nicht satt und fand den Entschluß nicht, sie zu entlassen, als fürchtete er sich, allein zu bleiben. Endlich denn beurlaubte er die Nickenden und Wankenden dennoch und suchte sein Schlafzimmer auf, wo der Aus- und Ankleidesklave, ein älterer Mann, der schon dem Knaben zugeteilt gewesen war und ihn »Meni« nannte, obgleich er es sonst an formellen Ehrfurchtsbezeigungen nicht fehlen ließ, schon längst im Ampelschein auf ihn wartete. Dieser macht’ es ihm zart und rasch für die Nacht bequem, warf sich auf die Stirn und zog sich zurück, um außen auf der Schwelle zu schlafen. Pharao seinerseits, in die Kissen geschmiegt seiner kunstgewerblichen Bettstatt, die auf einem Podium inmitten des Zimmers stand, die Rückwand geschmückt mit feinster, Schakale, Steinböcke und Bes-Figuren darstellender Elfenbeinarbeit, fiel fast sofort in den Schlaf der Erschöpfung – für kurze Zeit. Denn nach ein paar Stunden tiefer Betäubung begann er zu träumen und träumte so kraus, beängstigend und absurd-lebendig, wie nur früher als Kind mit Halsweh-Fieber. Er träumte aber durchaus nicht vom gewichtlosen Bennu-Vater und vom unstofflichen Sonnenstrahl, sondern von ganz Gegenteiligem.
Im Traume stand er am Ufer Hapi’s, des Ernährers, an einsamer Stelle, da war Sumpf und Reute. Er trug die rote Kronmütze von Unter-Ägypten und hatte den Bart umgebunden, und am Oberschurz hing ihm der Tierschwanz. Ganz allein stand er an der Stelle, mit schwerem Herzen und hielt den Krummstab im Arm. Da rauschte es auf nicht weit vom Ufer und tauchte aus der Flut hervor siebenfältig: Sieben Kühe stiegen ans Land, die wohl im Wasser gelegen hatten nach Art von Büffelkühen, und ging immer eine hinter der anderen her in einer Zeile, zu siebenen ohne den Stier: es war kein Stier da, nur eben die sieben Kühe. Prachtvolle Kühe, weiß, schwarz, mit hellerem Rücken, auch grau mit hellerem Bauch, auch zwei gescheckte, mit Zeichen gefleckte, – so schöne, glatte und fette Kühe, mit strotzenden Eutern und bewimperten Hathor-Augen und hochgeschwungenem Leier-Gehörn, und fingen an, gemächlich im Ried zu weiden. Der König hatte nie so herrliches Rindvieh gesehen, im ganzen Lande nicht; es war ein Staat mit der blanken Gedeihlichkeit ihrer Leiber, und Meni’s Herz wollte froh werden bei ihrem Anblick, ward’s aber nicht, sondern blieb schwer und besorgt, – um sich alsbald danach sogar mit Schrecken und Graus zu füllen. Denn nicht riß die Zeile ab nach diesen Sieben. Noch mehr der Kühe kamen aus dem Wasser hervor, und gab keine Unterbrechung zwischen diesen und jenen: sieben andere Kühe stiegen ans Land, auch ohne Stier, aber welcher Stier hätte die auch gemocht? Dem Pharao schaudert’s vor dem Vieh, es waren die häßlichsten, magersten, verhungertsten Kühe, die er Zeit seines Lebens erblickt – die Knochen standen ihnen aus der faltigen Haut, ihre Euter waren wie leere Säcke mit fadenförmigen Zitzen; abschreckend und überaus niederschlagend war ihr Anblick, kaum schienen die Elenden sich auf den Beinen halten zu können und ließen dann doch ein
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