Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Wesen gemacht, habe ihnen freihändig und mit Leichtigkeit ihre Träume gedeutet und dem Bäcker gekündet, er werde ans Holz kommen, ihm selbst dagegen, daß er um seiner strahlenden Reinheit willen in Gnade werde aufgenommen und wieder werde an sein Amt gestellt werden. Aufs Haar so sei es gekommen, und heute gedenke er, Nefer, seiner Sünde: nämlich daß er nicht schon längst auf dieses im Schatten lebende Talent aufmerksam gemacht und mit dem Finger darauf gewiesen habe. Er stehe nicht an, der Überzeugung Ausdruck zu geben, daß, wenn irgend jemand Pharao’s bedeutende Träume zu deuten vermöge, es dieser mutmaßlich noch immer zu Zawi-Rê vegetierende Jüngling sei.
Bewegung unter den Königsfreunden, Bewegung auch in Pharao’s Miene und Gestalt. Noch ein paar Fragen und Antworten, gewechselt rasch zwischen ihm und dem Dicken, – und dann war der schöne Befehl ergangen, sofort habe der erste Eil- und Flügelbote sich mit dem Eilboot aufzumachen nach Zawi-Rê und den wahrsagenden Fremdling mit höchster Zeitersparnis nach On zu bringen vor Pharao’s Angesicht.
DRITTES HAUPTSTÜCK
DIE KRETISCHE LAUBE
Die Einführung
Als Joseph anlangte in der Stadt des Blinzelns, der tausendjährigen, war wieder Saatzeit und Zeit der Bestattung des Gottes, wie damals, als er seinen zweiten Fall getan in die Grube, und war drei große Tage darin gewesen unter leidlichen Umständen, beim ruhigen Hauptmann Mai-Sachme. Mit rechten Dingen gings zu: genau drei Jahre waren herum, am selben Punkte des Kreislaufs hielt man, wie damals, und eben hatten wieder die Kinder Ägyptens das Fest der Erd-Aufreißung und der Errichtung des göttlichen Rückgrats gefeiert, die Woche hin vom zweiundzwanzigsten bis zum letzten Tage des Choiak.
Joseph freute sich, das goldene On wiederzusehen, wo er einst, vor drei und zehn Jahren, als ein Knabe durchgezogen war mit den Ismaelitern auf ihrem Wege, den sie ihn führten, und sich mit ihnen von den Sonnendienern über die schöne Figur des Dreiecks hatte belehren lassen und über Rê-Horachte’s milde Natur, des Herrn des weiten Horizontes. Durch den Dreiecksraum der lehrhaften Stadt mit den vielen gleißenden Sonnenmalen ging es wieder, zur Seite des Eilboten, gegen die Spitze hin, nämlich den großen Obelisken am Schluß- und Schnittpunkt der Schenkelseiten, dessen golden alles überblitzende Kantenhaube sie schon von weitem gegrüßt hatte.
Jaakobs Sohn, der solange nichts als die Mauern seines Gefängnisses gesehen, hatte keine Muße, seine Augen zu brauchen und sich am Bild der geschäftigen Stadt und ihrer Leute zu ergötzen, – von außen schon war ihm keine gewährt durch seinen Führer, den Flügelboten, der keine Minute verlor und immer nur zu atemloser Eile trieb; aber auch innerlich und von Gemütes wegen war ihm nicht Muße gegeben zum Gucken. Denn noch ein Umlauf ging in sich selber, und eine andere Wiederkehr noch wollte eintreten: er würde wieder vorm Höchsten stehen. Einst war es Peteprê gewesen, vor dem ihm zu reden gewährt gewesen war im Palmgarten, der Höchste im nächsten Umkreise, und es hatte gegolten. Nun war es Pharao selbst, der Allerhöchste hier unten, vor dem er reden sollte, und in noch höherem Grade galt es diesmal. Was es aber galt, das war, dem Herrn behilflich zu sein bei seinen Plänen und sie nicht linkisch zu durchkreuzen, was eine große Narrheit gewesen wäre und eine Schimpfierung des Weltganges aus Mangel an Glauben. Nur schwankender Glaube daran, daß Gott hoch hinaus wollte mit ihm, würde die Ursache der Ungeschicklichkeit und schlechten Wahrnehmung der herbeigeführten Gelegenheit sein können; und darum war Joseph zwar gespannt auf das Kommende und hatte nicht Blick für den Handel und Wandel der Stadt, aber seine Erwartung war Zuversicht, und Furcht war nicht in ihr, denn jenes Glaubens, der Ursach war aller frommen Geschicklichkeit, daß nämlich Gott es heiter, liebevoll und bedeutend meinte mit ihm, war er gewiß.
Wir, die wir ihn ebenfalls mit Spannung begleiten, obgleich wir wissen, wie alles kam, wollen ihm keinen Vorwurf machen aus seinem Vertrauen, sondern ihn nehmen, wie er war, und wie wir ihn längst schon kennen. Es gibt Erwählte, welche aus zweifelnder Demut und Selbstverwerfung nie an ihre Erwählung zu glauben vermögen, sie mit Zorn und Zerknirschung von sich weisen und ihren Sinnen nicht trauen, ja sich gewissermaßen sogar in ihrem Unglauben gekränkt fühlen, wenn sie sich trotzdem zuletzt in der Erhöhung sehen.
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