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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sieben stärkeren. –
    Diesmal war Amenhotep nicht einmal mehr vom Audienzsessel aufgesprungen. Gebeugt war er darauf sitzen geblieben, sein Angesicht in den Händen bergend, und die Hofleute rechts und links vom Baldachin hatten ihre Ohren hingehalten, um zu erlauschen, was er in seine Hände murmele. »O Pfuscher! Pfuscher!« hatte er zu wiederholten Malen geflüstert und dann dem Wesir des Nordens, der ihm am nächsten stand, gewinkt, daß er sich zu ihm hinabbeuge und einen leisen Auftrag entgegennehme. Ptachemheb entledigte sich dieses Auftrags, indem er den Experten mit lauter Stimme verkündete, Pharao wünsche zu wissen, ob sie sich nicht schämten.
    Sie hätten ihr Bestes gegeben, antworteten sie.
    Da mußte der Wesir sich abermals zum König hinabbeugen, und diesmal zeigte sich, daß er den Auftrag empfangen hatte, den Zauberern mitzuteilen, sie hätten den Saal zu räumen. In großer Verwirrung, indem sie sich wechselseitig anblickten, als wollte einer den anderen fragen, ob ihm so etwas schon einmal vorgekommen sei, entfernten sich diese Männer. Der zurückbleibende Hof stand in banger Betretenheit, denn Pharao saß immer noch niedergebeugt, mit der Hand die Augen beschattend. Als er sie endlich davon hinwegnahm und sich aufrichtete, zeichnete Gram sich auf seinem Gesichte ab, und sein Kinn zitterte. Er sagte den Hofleuten, er hätte sie gern geschont, und er stürze sie nur mit Widerstreben in Schmerz und Trauer, aber er könne ihnen die Wahrheit nicht verhehlen, daß ihr Herr und König tiefunglücklich sei. Seine Träume hätten das unverkennbare Gepräge der Reichswichtigkeit gehabt, und ihre Deutung sei eine Lebensfrage. Die empfangenen Auslegungen aber seien ohnmächtiges Zeug gewesen; sie paßten im geringsten nicht zu seinen Träumen, und diese erkennten sich nicht darin wieder, wie Traum und Deutung sich ineinander wiedererkennen müßten. Nach dem Mißlingen dieser zwei groß angelegten Versuche müsse er daran zweifeln, die wahrhaft entsprechende Deutung, die er als solche sofort erkennen würde, zu gewinnen. Das aber heiße, daß man gezwungen sei, es den Träumen zu überlassen, sich selber zu deuten und, möglicherweise zum schwersten Schaden von Staat und Religion, ohne jede vorbeugende Maßnahme in schlimme Erfüllung zu gehen. Den Ländern drohe Gefahr; der Pharao aber, dem dies offenbar sei, werde, des Rates und Beistandes bar, auf seinem Throne allein gelassen.
    Nur einen Augenblick noch hatte nach diesen Worten das beklommene Schweigen angedauert. Dann war es geschehen, daß Nefer-em-Wêse, der Obermundschenk, der lange mit sich gekämpft, aus dem Chor der Freunde hervorgetreten war und um die Gunst ersucht hatte, vor Pharao zu reden. »Ich gedenke heute meiner Sünden«, mit diesem Wort läßt die Überlieferung ihn seinen Vortrag beginnen; der Ausspruch ist in den Lüften hängengeblieben, man hört ihn noch heute. Es meinte aber der Groß-Kelterer damit nicht Sünden, die er nicht begangen hatte; denn fälschlich war er einst ins Gefängnis gekommen und hatte nicht teilgehabt an dem Plan, den vergreisten Rê von Esets Schlange beißen zu lassen. Eine andere Sünde meinte er, nämlich die, daß er Jemandem fest versprochen hatte, ihn zu erwähnen, aber sein Wort nicht gehalten hatte, denn er hatte den Jemand vergessen. Nun gedachte er seiner und sprach von ihm vor dem Baldachin. Er erinnerte Pharao (der sich kaum daran erinnerte) an das »ennui« (so drückte er sich mit einem abschwächenden Lehnwort aus), das er, der Schenke, vor zweien Jahren, noch unter König Nebmarê, gehabt habe, indem er versehentlich zusammen mit Einem, den man besser nicht nenne, einem Gottverhaßten, dessen Seele samt seinem Körper zerstört worden, nach Zawi-Rê, der InselFestung geraten sei. Dort sei ihnen ein Jüngling zur Aufwartung bestellt gewesen, ein chabirischer, von Asien, des Hauptmanns Gehilfe, mit dem schrulligen Namen Osarsiph, Sohn eines Herdenkönigs und Gottesfreundes im Osten, diesem geboren von einer Lieblichen, was man ihm denn auch recht wohl angesehen habe. Dieser Jüngling nun sei die stärkste Begabung auf dem Gebiet der Traum-Exegese gewesen, die ihm, Vortrefflich-in-Theben, all seiner Lebtage vorgekommen. Denn gleichzeitig hätten sie beide geträumt, sein schuldiger Genosse und er, der Reine, – sehr schwierige, vielsagende Träume, ein jeder den seinen, und seien um kunstgerechte Deutung äußerst verlegen gewesen. Jener Usarsiph aber, der vorher von seiner Gabe nie ein

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