Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Und es gibt andere, denen in aller Welt nichts selbstverständlicher ist, als ihre Erwähltheit, – bewußte Götterlieblinge, welche sich über gar nichts wundern, was ihnen an Erhöhung und Lebenskronen nur immer zufallen mag. Welchem Erwählten-Geschlecht man nun den Vorzug geben möge, dem ungläubig-Heimgesuchten oder dem Präsumtuosen, – Joseph zählte zum zweiten, und immerhin muß man noch froh sein, daß er wenigstens nicht zu dem dritten gehörte, das auch noch vorhanden ist: den Heuchlern nämlich vor Gott und den Menschen, die unwürdig tun sogar vor sich selbst, und in deren Munde das Wort »Gnade« dennoch mehr Hoffart birgt als alle Segenszutraulichkeit der Unerstaunten. –
Pharao’s Absteige-Palast zu On lag östlich des Sonnentempels, verbunden mit ihm durch eine Allee von Sphinxen und Sykomoren, auf welcher der Gott dahinzog, wenn er seinem Vater zu räuchern gedachte. Das Lebenshaus war leicht und lustig hingezaubert, ohne Verwendung von Stein, welcher nur ewigen Wohnungen zukommt, aus Ziegeln und Holz gemacht, wie alle Lebenshäuser, aber natürlich so lieblich und voller Zier wie Keme’s kostbare Hochkultur sich’s nur hatte erträumen mögen, verwahrt in seinen Gärten von blendend weißer Umfassungsmauer, vor deren erhöhtem Durchlaß an vergoldeten Flaggenstangen bunte Wimpelbänder sich im leichten Winde regten.
Es war über Mittag, die Zeit des Mahls schon vorüber. Das Eilboot hatte auch nachts nicht geruht, doch noch den Morgen gebraucht, um On zu erreichen. Auf dem Platze vorm Mauertor war ein Getümmel, denn viel Volk aus der Stadt hatte sich dahin aufgemacht, nur um herumzustehen und auf ein Schauspiel zu warten, und Haufen von Polizeisoldaten, Torwächtern und Wagenlenkern, die schwatzend bei ihren scharrenden, prustenden und manchmal hell aufwiehernden Gespannen standen, versperrten den Weg, wozu noch allerlei Höker und Händler kamen, die gefärbtes Zuckerwerk, Schmalzgebackenes, Gedenk-Skarabäen und zollhohe Statuetten des Königs und der Königin feilhielten. Nicht ohne Mühe bahnten der Eilbote und der, den er brachte, sich ihren Weg. »Befehl! Befehl! Empfang, Empfang!« rief jener ein übers andere Mal, indem er die Leute durch seine berufsmäßige Atemlosigkeit, die er unterwegs denn doch abgestellt hatte, in Schrecken zu setzen suchte. Er rief es auch den im inneren Hofe ihnen entgegenlaufenden Dienern zu, sodaß sie die Brauen hochzogen und sich zufrieden gaben, und führte Joseph an den Fuß einer Freitreppe, zu deren Häupten, vor dem Eingangstor des auf erhöhter Plattform errichteten Lustbaus, ein Palastbeamter, sichtlich etwas wie ein Unter-Haushofmeister, sich aufgepflanzt hatte und matten Blickes zu ihnen herniedersah. Er bringe den Weissager von Zawi-Rê, sprach der Bote in fliegenden Worten die Stufen hinauf, den »man« in höchster Eile herbeizuschaffen befohlen habe; worauf der Mann, nicht minder matt, den Joseph prüfend von oben bis unten maß, als stehe es nach dieser Erklärung noch irgend bei ihm, ob er ihn zulassen sollte oder nicht – und winkte ihm dann, – wiederum mit einem Ausdruck eigenen Entschlusses, alsob er ihn auch hätte ablehnen können. Schnell schärfte der Bote dem Joseph noch ein, er möge gleichfalls sehr rasch und keuchend atmen, wenn er vor Pharao komme, damit dieser den schönen Eindruck habe, daß er ohne Rast den ganzen Weg her vor sein Angesicht gelaufen sei, was aber Joseph sich nicht ernstlich gesagt sein ließ. Er dankte dem Langbeinigen für Abholung und Geleit und stieg die Stufen zu dem Beamten empor, der zu seiner Begrüßung nicht mit dem Kopfe nickte, sondern denselben schüttelte, dann aber ihn aufforderte, ihm zu folgen.
Sie durchschritten den buntfarbig und szenisch ausgemalten, von vier mit Bändern umwundenen Ziersäulen getragenen Vorbau und kamen in eine gleichfalls von Rundsäulen aus poliertem Edelholz schimmernde Brunnenhalle, wo Bewaffnete Wache hielten, und die sich nach vorne und nach den Seiten in breiten Pfeiler-Durchlässen öffnete. Geradeaus führte der Mann den Joseph durch einen Zwischen-Raum, der drei tiefe Türen nebeneinander hatte, und führte ihn durch die mittlere. So kamen sie in eine sehr große Halle, in der man wohl zwölf Säulen zählte, und deren himmelblaue Decke mit fliegenden Vögeln bemalt war. Ein offenes Häuschen in Gold und Rot, gleich einem Garten-Belvedere, stand in der Mitte, darinnen ein Tisch, von Armsesseln mit bunten Kissen umgeben. Schurzdiener besprengten und
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