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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Königstöchter.
    Pharao hielt den Mund nicht mehr offen, er hielt ihn sogar recht fest geschlossen und hatte ihn auch nur wenig geöffnet, als er sie aufgefordert hatte, zum Zweiten zu kommen.
    Zum Zweiten, sagten sie. Die sieben vollen Ähren seien sieben blühende Städte, die Pharao bauen werde; die sieben dürren und struppigen aber seien – die Trümmer davon. Wohlgemerkt, erläuterten sie hastig, alle Städte fielen unweigerlich mit der Zeit in Trümmer. Pharao werde eben solchen Bestand haben, daß er noch die Trümmer der von ihm selbst erbauten Städte mit Augen sehen werde.
    Da nun war Meni’s Geduld zu Ende. Sein Schlaf war ungenügend, das Wieder-Erzählen der vertrocknenden Träume peinlich, das zweistündige Warten auf den Wahrspruch der Doktoren entnervend gewesen. Nun war er so durchdrungen davon, daß diese Deutungen bare Stümpereien seien und ellenweit an der wahren Bedeutung seiner Gesichte vorbeigingen, daß er seinen Zorn nicht länger bemeisterte. Er fragte noch, ob es so, wie die Weisen es sagten, in ihren Büchern stände? Als sie ihm aber antworteten, ihre Darbietungen seien eine stichhaltige Verbindung von dem, was in den Büchern stehe, mit den Eingebungen ihres eigenen Kombinationsvermögens, sprang er vom Sessel auf, was ganz unerhört war während einer Audienz, sodaß die Hofherren die Schultern hochzogen und den Mund mit der hohlen Hand bedeckten, und hieß, Tränen in der Stimme, die furchtbar erschrockenen Propheten Hudler und Nichtswisser.
    »Fort!« rief er beinahe schluchzend. »Und nehmt mit euch, statt reichlichen Lobgoldes, das meine Majestät euch angewiesen hätte, wenn Wahrheit aus eurem Munde gekommen wäre, Pharao’s Ungnade! Eure Deutungen sind Lug und Trug, Pharao weiß es, denn Pharao hat geträumt, und wenn er auch die Deutung nicht weiß, so weiß er doch zu unterscheiden zwischen wahrer Deutung und einer so minderwertigen. Aus meinem Angesicht!«
    Von zwei Palastoffizieren waren die bleichen Gelehrten hinausgeführt worden. Meni aber hatte, ohne sich wieder zu setzen, seinem Hofe erklärt, dieser Mißerfolg werde ihn keinesfalls bestimmen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Die Herren seien leider Zeugen eines beschämenden Versagens gewesen, aber, bei seinem Zepter!, schon für den morgigen Tag werde er andere Traumkundige einberufen, diesmal vom Hause Djehuti’s, des Schreibers Thots, des neunmal Großen, des Herrn von Chmunu. Von den Geweihten des weißen Pavians sei würdig-wahrere Deutung dessen zu erwarten, wovon die innere Stimme ihm sage, daß es um jeden Preis gedeutet werden müsse.
    Die neue Befragung hatte am nächsten Tage unter denselben Umständen stattgefunden. Sie war noch kläglicher verlaufen als die vorige. Wieder hatte Pharao unter inneren Schwierigkeiten und solchen der Zunge seine Traum-Mumien öffentlich dargestellt, und wieder hatte es bei den Leuchten ein großes Nicken und Schütteln gegeben. Nicht zwei, sondern drei lange Stunden hatten König und Hof auf das Ergebnis des geheimen Consiliums zu warten gehabt, das auch die Söhne des Thot sich ausgebeten; und dann waren diese Fachmänner nicht einmal untereinander einig, sondern nach ihrer Meinung von den Träumen gespalten gewesen. Zwei Deutungen, verkündete ihr Ältester, lägen vor für jeden Traum, und diese allerdings seien die einzigen überhaupt in Betracht kommenden; andere seien nicht denkbar. Nach einer Theorie waren die sieben fetten Kühe sieben Könige vom Samen Pharao’s, die sieben häßlichen dagegen sieben Fürsten des Elends, die sich gegen dieselben erheben würden. Dies liege aber in weiter Ferne. Andererseits könnten die schönen Kühe ebenso viele Königinnen sein, die entweder Pharao selbst oder einer seiner späten Nachfolger in sein Frauenhaus aufnehmen werde, und die (worauf die sieben ausgemergelten Kühe hindeuteten) unglücklicherweise eine nach der anderen sterben würden.
    Und die Ähren?
    Die sieben güldenen Ähren bedeuteten nach der Überzeugung der Einen sieben Helden Ägyptens, die später einmal in einem Kriege von der Hand sieben feindlicher und, wie die verkohlten Ähren andeuteten, an Macht viel geringerer Kämpfer fallen würden. Die Anderen hielten daran fest, daß die sieben vollen und die sieben hohlen Ähren gleich vierzehn Kindern seien, die Pharao von jenen Königinnen des Auslands empfangen werde. Allein ein Streit werde unter ihnen entbrennen, und umbringen würden dank überlegener Tücke die sieben schwächeren Kinder die

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