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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der Erharrte, der Besserwisser«, sagte der Kleine lispelnd und mit hoher Stimme, »der es besser weiß, als die Gelehrten des Bücherhauses. Gut, gut, ex-qui-sit!« sagte er und blieb immer krumm dabei, vielleicht weil er so geboren war und sich nicht gerade richten konnte, vielleicht nur, weil der zierliche Hofdienst ihn an diese Haltung gewöhnt hatte. »Ich werde dich melden, sofort werde ich dich melden, wie sollte ich nicht? Auf dich wartet der ganze Hof. Pharao ist zwar beschäftigt, dich aber werde ich trotzdem unverweilt melden. Ich werde Pharao unterbrechen, werde ihm ins Wort fallen um deinetwillen mitten in einer Belehrung für seine Künstler, um ihm deine Ankunft zu künden. Hoffentlich wundert dich das ein bißchen. Möge jedoch die Verwunderung nicht bis zur Verwirrung gehen, damit du nicht Dummheiten sagst, wozu du aber vielleicht der Verwirrung garnicht bedarfst. Ich mache dich aufmerksam im Voraus, daß Pharao außerordentlich reizbar ist gegen Dummheiten, die man ihm über seine Träume sagt. Ich gratuliere. Du hießest also –?«
    »Osarsiph hieß ich«, antwortete der Befragte.
    »So heißest du, willst du sagen, so heißest du! Wunderlich genug, daß du andauernd so heißest. Ich gehe dich anzumelden mit deinem Namen. Merci, mein Freund«, sagte er achselzuckend zu dem Verwalter, der sich entfernte, und schlüpfte seinerseits gebückt durch den Vorhang.
    Gedämpft vernahm man Stimmen dort drinnen, eine jugendlich sanfte und spröde zumal, die dann verstummte. Wahrscheinlich hatte der Bückling sich schwänzelnd und lispelnd an Pharao’s Ohr gemacht. Er kehrte zurück, die Brauen hochgezogen, und flüsterte:
    »Pharao ruft dich!«
    Joseph trat ein.
    Eine Loggia empfing ihn, nicht groß genug, den Namen »Gartensaal«, den man ihr gegeben, ganz zu verdienen, aber von seltener Schönheit. Gestützt von zwei Säulen, die mit farbigem Glas und funkelnden Steinen ausgelegt und von so natürlich gemaltem Weinlaub umwunden waren, daß es wie wirkliches schien, mit einem Fußboden, dessen Quadrate teils auf Delphinen reitende Kinder, teils Tintenfische zeigten, tat sich der Raum in drei großen offenen Fenstern gegen Gärten auf, deren ganze Lieblichkeit er in sich einbezog. Man sah dort leuchtende Tulipan-Beete, wunderlich blühende Fremdsträucher und mit Goldstaub bestreute Wege, die zu Lotosteichen führten. Weit ging das Auge hinaus in eine Insel-, Brücken- und Kiosk-Perspektive, und empfing von dort den Blitz der Fayenceziegel, mit denen das ferne Sommerhäuschen geschmückt war. Die Veranda-Halle selbst strahlte von Farben. Ihre Seitenwände waren mit Malereien bedeckt, die von aller Landesüblichkeit abwichen. Fremde Leute und Sitten waren dort anschaulich gemacht, offenbar solche der Inseln des Meeres. Frauen in bunten und starren Prunkröcken saßen und wandelten, den Busen entblößt im enganliegenden Mieder, und ihre Haare, über dem Stirnband gekräuselt, fielen in langen Flechten auf ihre Schultern. Pagen in nie gesehener Ziertracht, Spitzkrüge in Händen, warteten ihnen auf. Ein Prinzchen mit Wespentaille und zweifarbigem Beinkleid, in Lammfellstiefeln, auf dem Lockenkopf einen Kronenputz mit bunt wallenden Federn, zog in Selbstgefälligkeit zwischen abenteuerlich blühenden Gräsern dahin und schoß mit Pfeilen nach flüchtigen Jagdtieren, deren Lauf so dargestellt war, daß ihre Hufe nicht den Boden berührten, sondern frei darüber hinflogen. Anderwärts schlugen Akrobaten Luftpurzelbäume über die Rücken tobender Stiere hinweg, zur Unterhaltung von Damen und Herren, die ihnen aus Pfeilerfenstern und von Balkonen herab zuschauten.
    Von demselben Fremdgeschmack waren die Gegenstände der Augenweide und des schönen Handwerks geprägt, die den Aufenthalt schmückten: irdene Vasen, schimmernd bemalt, mit Gold eingelegte Elfenbein-Reliefs, getriebene Prunkbecher, ein schwarzsteinerner Stierkopf mit goldenen Hörnern und Augen aus Bergkristall. Während der Eintretende die Hände erhob, machte sein Blick eine ernst-bescheidene Runde über die Szene, und über die Personen hin, deren Anwesenheit ihm verkündet worden war.
    Amenhotep-Nebmarê's Witwe thronte ihm gerade gegenüber auf hohem Stuhl mit hohem Schemel, gegen das Licht, vor dem mittleren der tiefreichenden Bogenfenster, so daß ihr ohnedies bronzefarben gegen das Gewand abstechender Teint durch die Verschattung noch dunkler schien. Dennoch erkannte Joseph ihre eigentümlichen Züge wieder, wie er sie vordem bei königlichen

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