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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Gewicht aufs zweite wie aufs erste, ja es freut ihn, es freut ihn zuweilen bis zum Trotz und bis zum Zorne, den Menschen hervorzukehren und darauf zu bestehen, daß er ein Mensch ist wie alle, von einer Seite gesehen; es freut ihn, den Griesgramen ein Schnippchen zu schlagen, die da wollen, daß er sich immer nur ebenmäßig als Gott gehabe.«
    Und damit schlug er wirklich mit seinen schlanken Fingern ein Schnippchen in der Luft.
    »Aber ich sehe, du fürchtest dich nicht«, fuhr er fort, »und erschrickst nicht vor deinen Tritten, sondern tust sie mit gelassener Anmut zu mir her. Das ist angenehm, denn vielen schwindet die Seele, wenn sie vor Pharao stehen sollen, ihr Herz verläßt sie, es geben ihnen die Knie nach, und sie können nicht Leben von Tod unterscheiden. Du bist nicht vom Schwindel gerührt?«
    Joseph schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Das kann drei Gründe haben«, sagte der Königsknabe. »Entweder ist es so, weil deine Abstammung edel ist in ihrer Art, oder weil du in Pharao den Menschen siehst, wie er es gern hat, wenn es mit dem Hintergedanken seiner Göttlichkeit geschieht, oder aber, weil du fühlst, daß auf dir selbst ein Abschein des Göttlichen liegt, denn du bist schön und wunderhübsch, wie ein Bild, meine Majestät bemerkte es gleich, als du eintratest, und obgleich es mich nicht überraschte, da man mir gesagt hatte, daß du der Sohn einer Lieblichen seiest, erregte es doch meine Aufmerksamkeit. Bezeugt es doch, daß der dich liebt, der die Schönheit der Gestalt schafft durch sich selbst allein, der den Augen Leben und Sehkraft verleiht durch Seine Schönheit, für Seine Schönheit. Man kann die Schönen die Lieblinge des Lichts nennen.«
    Er betrachtete Joseph wohlgefällig, mit schrägem Kopfe.
    »Ist er nicht wunderhübsch und schön wie ein Lichtgott, Mamachen?« fragte er Teje, die ihre Wange auf drei Finger ihrer kleinen, dunklen, von Steinen blitzenden Hand stützte.
    »Du hast ihn der Weisheit und Deutungskunst wegen vor dich berufen, die man ihm nachsagt«, erwiderte sie ins Leere blickend.
    »Das hat miteinander zu tun«, sagte Amenhotep rasch und eifrig einfallend. »Darüber hat Pharao viel nachgesonnen und viel vernommen und sich unterredet mit Sendboten, die ihn besuchten, oft und weither aus der Fremde, Magiern, Priestern und Eingeweihten, die ihm Kunde brachten aus Ost und West von den Gedanken der Menschen. Denn was muß er nicht alles vernehmen und wohin nicht lauschen, um zu prüfen, zu wählen und das Nutzbare nutzbar zu machen zur Vollendung der Lehre und zur Errichtung des Bildes der Wahrheit nach dem Willen seines Vaters am Himmel! Schönheit, Mamachen und du, lieber Amu, hat mit Weisheit zu tun, nämlich durch das Mittel des Lichtes. Denn das Licht ist das Mittel und ist die Mitte, von wo Verwandtschaft strahlt nach drei Seiten hin: zur Schönheit, zur Liebe und zur Erkenntnis der Wahrheit. Diese sind eins in ihm, und das Licht ist ihre Dreieinigkeit. Fremde trugen mir die Lehre zu von einem anfänglichen Gott, aus Flammen geboren, einem schönen Gott des Lichts und der Liebe, und sein Name war ›Erstgeborener Glanz‹. Das ist ein herrlicher, nutzbarer Beitrag, denn es erweist sich darin die Einerleiheit von Liebe und Licht. Licht aber ist Schönheit sowohl wie Wahrheit und Wissen, und wollt ihr das Mittel der Wahrheit wissen, so ist’s die Liebe. – Von dir nun sagt man, wenn du einen Traum hörst, daß du ihn deuten kannst?« fragte er Joseph errötend, da seine eigenen schwärmerischen Worte ihn beschämten und verwirrten.
    »Nichts von mir, o Herr, in diesem Zusammenhang!« antwortete Joseph. »Nicht ich kann’s. Gott allein kann es, und er tut es zuweilen durch mich. Alles hat seine Zeit, Träume und Deuten. Da ich ein Knabe war, träumte ich, und feindliche Brüder schalten mich den Träumer. Jetzt, wo ich schon ein Mann bin, kam die Zeit des Deutens. Meine Träume deuten sich mir, und allenfalls gibt mir’s Gott, daß ich Träume deute der Anderen.«
    »Bist du also ein prophetischer Jüngling, ein sogenanntes inspiriertes Lamm?« erkundigte sich Amenhotep. »Es scheint, daß man dich in diese Ordnung einzureihen hat. Wirst du mit den letzten Worten tot umfallen, nachdem du dem König in Verzückung die Zukunft gekündet, daß er dich feierlich bestatte und deine Weissagungen aufzeichnen lasse, um sie der Nachwelt zu überliefern?«
    »Nicht leicht«, sprach Joseph, »ist die Frage des großen Hauses zu beantworten, nicht mit Ja, nicht mit Nein,

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