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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns nicht von dem zutreffenden Gleichnis abschrecken, daß es aussah, wie das eines jungen, vornehmen Engländers von etwas ausgeblühtem Geschlecht: langgezogen, hochmütig und müde, mit nach unten ausgebildetem, also keineswegs mangelndem und dennoch schwachem Kinn, einer Nase, deren schmaler, etwas eingedrückter Sattel die breiten, witternden Nüstern desto auffallender machte, und tief träumerisch verhängten Augen, von denen er die Lider nie ganz aufzuheben vermochte, und deren Mattigkeit in bestürzendem Gegensatz stand zu der nicht etwa aufgeschminkten, sondern von Natur krankhaft blühenden Röte der sehr vollen Lippen. So war eine Mischung schmerzlich verwickelter Geistigkeit und Sinnlichkeit in diesem Gesicht – auf der Stufe des Knabenhaften und vermutlich sogar des zu Übermut und Ausgelassenheit Geneigten. Hübsch und schön war es mitnichten, aber von beunruhigender Anziehungskraft; man wunderte sich nicht, daß Ägyptens Volk ihm Zärtlichkeit erwies und ihm blumige Namen gab.
    Auch nicht schön, sondern eher seltsam und teilweise etwas aus der Form gegangen war auch Pharao’s die Mittelgröße kaum erreichende Körpergestalt, wie sie da, in der leichten, wenn auch auserlesen kostbaren Kleidung sehr deutlich erkennbar, in einer Lässigkeit, die nicht Unmanier, sondern einen oppositionellen Lebensstil bedeutete, in den Kissen hing: der lange Hals, die von einem wundervollen Stein-Blütenkragen halb bedeckte schmale und weiche Brust, die dünnen, von getriebenen Goldreifen eingefaßten Arme, der von jeher etwas vortretende Bauch, freigegeben von dem vorn tief unter dem Nabel ansetzenden, hinten aber hoch den Rücken hinaufreichenden Schurz, dessen prachtvoller Vorderbehang mit Uräen und Bandfransen geschmückt war. Dazu waren die Beine nicht nur zu kurz, sondern auch sonst noch ohne Verhältnis, da die Oberschenkel entschieden zu voll, die unteren aber fast hühnerartig mager erschienen. Amenhotep hielt einen Bildhauer an, diese Eigentümlichkeit nicht nur nicht zu beschönigen, sondern sie, um der teueren Wahrheit willen, sogar noch zu übertreiben. Sehr schön und nobel gebildet dagegen waren Hände und Füße, besonders die langfingrigen und elegant-empfindsamen Hände mit Resten von Salböl in den Nagelbetten. Daß die beherrschende Leidenschaft dieses verwöhnten, die Köstlichkeit seiner Geburt offenbar mit Selbstverständlichkeit hinnehmenden Knaben die Erkenntnis des Höchsten sein sollte, war sonderbar zu denken, und Abrahams schauend beiseite stehender Enkel wunderte sich, in wie unterschiedlicher Menschlichkeit, ganz fern und fremd die eine der anderen, die Gottessorge doch auf Erden erscheine.
    Amenhotep also hatte sich den beiden Kunstmeistern wieder zugewandt, um sie zu verabschieden, – einfachen, kräftigen Männern, von denen der Eine damit beschäftigt war, die auf ein Postament gestellte unfertige Ton-Statuette, die er dem Auftraggeber vor Augen geführt hatte, in ein feuchtes Tuch zu schlagen.
    »Mache es, guter Auta«, hörte Joseph die sanfte und spröde, etwas zu hoch liegende, dabei leicht weihevoll getragene, aber abwechselnd damit in ein hastigeres Zeitmaß fallende Stimme wieder, auf die er schon draußen gelauscht, »mache es, wie Pharao dich angewiesen, mache es lieb, lebendig und schön, wie mein Vater am Himmel es will! Noch sind Fehler in deiner Arbeit, – nicht Fehler des Handwerks, – du bist sehr tüchtig – aber Fehler des Geistes. Meine Majestät hat sie dir nachgewiesen, und du wirst sie verbessern. Du hast meine Schwester, die süße Prinzessin Baketatôn, noch zu sehr in der alten, toten Weise gebildet, dem Vater zuwider, dessen Willen ich weiß. Mache sie lieb und leicht, mache sie nach der Wahrheit, die das Licht ist, und in der Pharao lebt, denn er hat sie in sein Innres gesetzt! Laß sie eine Hand mit einer Frucht des Gartens, einem Granatapfel, zum Munde führen und laß ihre andere Hand lose herabhängen – nicht die steife Fläche zum Körper gewandt, sondern die gerundete Fläche nach hinten, – so will es der Gott, der in meinem Herzen ist, und den ich kenne, wie keiner ihn kennt, weil ich aus ihm hervorgekommen bin.«
    »Dieser Knecht«, antwortete Auta, indem er mit einer Hand die lettene Figur umwickelte und die andere gegen den König aufhob, »wird es genau machen, wie Pharao gebietet und es mich zu meinem Glück gelehrt, – der Einzige des Rê, das schöne Kind des Atôn.«
    »Danke dir, Auta, danke dir lieb und freundlich. Es ist

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