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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sondern »unsern Vater im Himmel« nannte. Darauf mochte der von Hause Abgesonderte und in der Fremde Großgewordene sich berufen, wenn er bei bestimmten, übrigens nicht häufigen, Gelegenheiten sein Leopardenfell anlegte und räuchern ging.
    Es hatte eine eigentümliche Bewandtnis mit Rahels Erstem, Jaakobs verfremdetem Liebling. Die Indulgenz, die ihm gewährt wurde, trug einer Weltlichkeit Rechnung, die es ihrerseits verhinderte, daß es je zu einem »Stamm Joseph« kommen sollte, wie doch sogar zu einem Stamme Issakhar, Dan und Gad. Seine Rolle und Aufgabe im Plan war die des in die große Welt versetzten Bewahrers, Ernährers und Erretters der Seinen, wie wir sehen werden, und alles spricht dafür, daß er sich dieses Auftrages bewußt war, ihn jedenfalls im Gefühl hatte und seine weltlich-verfremdete Lebensform nicht als die eines Ausgestoßenen, sondern eben nur als eines zu bestimmten Zwecken Abgesonderten verstand, und daß hierauf sein Vertrauen auf die Nachsicht des Herrn der Pläne sich gründete.
    Joseph macht Hochzeit
    Asnath, das Mädchen, denn also wurde mit vierundzwanzig ausgesuchten Sklavinnen hinaufgesandt nach Menfe in Josephs Haus zur jungfräulichen Hochzeit, und auch die hochpriesterlichen Eltern, tief gebeugt von wegen des unfaßlichen Raubes, reisten von On hinauf, gleichwie Pharao selbst hinabkam von Nowet-Amun, um teilzunehmen an den Mysterien dieser Eheschließung, seinem Günstling selbst die rare Braut zu überhändigen und, ein erfahrener Ehemann, ihn dabei aufs neue der Annehmlichkeiten zu versichern, die das Verheiratetsein mit sich brachte. Es ist zu sagen, daß zwölf der jungen und schönen Dienerinnen, die mit Asnath kamen und mit ihr in den Besitz des Dunklen Bräutigams übergingen, so daß man unwillkürlich an das Gefolge denken muß, das früher lebendig mit in das Grab des Königs eingeschlossen worden war: daß also zwölf von den vierundzwanzig zum Jauchzen, Blumenstreuen und Musizieren da waren, die anderen zwölf aber zum Wehklagen und Brüsteschlagen; denn die Hochzeitsceremonieen, wie sie in Josephs Ehrenhaus, besonders im fackelerleuchteten Geviert des Brunnenhofes sich abspielten, um den alle Wohnräume gelagert waren, – diese Begehungen hatten einen starken Einschlag von Begräbnis, und wenn wir nicht mit letzter Genauigkeit darauf eingehen, so geschieht es aus einer Art von Rücksicht auf den alten Jaakob daheim, der so ganz irrtümlich seinen Liebling, dauernd siebzehnjährig, im Tode geborgen glaubte, und über sehr vieles, was hier bei seiner Hochzeit angestellt wurde, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte. Es hätte seine ehrwürdigen Vorurteile gegen »Mizraim«, das Land des Schlammes, bestätigt, und diese eben sind es, die wir gewissermaßen zu schonen meinen, wenn wir die Begehungen lieber nicht mit der Ausführlichkeit schildern, die einer Gutheißung gleichkäme.
    Hinter seinem Rücken kann man zugeben, daß eine gewisse Verwandtschaft besteht zwischen Hochzeit und Tod, Brautgemach und Grab, dem Raub der Jungfräulichkeit und Mord, – weshalb denn auch der Charakter eines gewalttätig entführenden Totengottes von keinem Bräutigam ganz zu entfernen ist. Gewiß, die Ähnlichkeit zwischen dem Schicksal des Mädchens, das, ein verschleiertes Opfer, die ernste Lebensgrenze zwischen Magdtum und Weibtum überschreitet, und dem des Saatkorns, das in die Tiefe versenkt wird, um dort zu verwesen und aus der Verwesung als ebensolches Korn, jungfräulich aufs neue ans Licht zurückzukehren, diese Ähnlichkeit ist zuzulassen; und die von der Sichel dahingemähte Ähre ist ein schmerzliches Gleichnis für das Hinweggerissenwerden der Tochter aus den Armen der Mutter, – die übrigens auch einmal Jungfrau und Opfer war, auch mit der Sichel gemäht wurde und ihr eigenes Schicksal in dem der Tochter wiedererlebt. So spielte denn auch die Sichel bei der vom Haushalter Mai-Sachme besorgten Ausschmückung der Festräume, namentlich des von einem Säulengang umlaufenen Brunnenhofs, eine hervortretende Rolle, die man sinnig nennen mag; und eine ebensolche spielte bei den Aufführungen, die vor und nach dem Hochzeitsmahl den Gästen geboten wurden, das Korn, das Getreide, das Saatgut: Männer streuten es auf die Fliesen aus und gossen unter bestimmten Anrufungen Wasser nach aus den Kannen, die sie mitführten; Frauen trugen Gefäße auf dem Kopf, die einerseits mit Samen gefüllt waren, und in deren anderem Abteil ein Licht brannte. Denn das Fest war

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