Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
wie ein Schmied. Von Schekem und seinen Greueln, wo die wilden Zwillinge den Mann erwürgt und den Ochsen verderbt hatten, und waren gewissermaßen verflucht worden. Von Rahels Sterben, einen Feldweg nur von der Herberge, am Todessöhnchen. Von Rubens unverantwortlichem Dahinschießen, und wie auch er war verflucht worden, soweit eben Israel verflucht werden kann. Und dann die Geschichte Josephs, wie ihn der Vater zu sehr geliebt, aber, ein Gottesheld, ihn auf den Weg geschickt und wissentlich das Teuerste zum Opfer dahingegeben mit starker Seele.
Dies »Einst« war noch frisch, und Jaakobs Stimme bebte dabei, während sie bei den früheren und frühesten, schon ganz mit Zeit bedeckten Einstmaligkeiten höchst episch gelassen gewesen war, feierlich froh im Ausdruck auch bei den grimmen und schweren, denn Gottesgeschichten waren sie alle, heilig zu erzählen. Nun ist aber ganz gewiß, es konnte nicht anders sein, und man muß es wissen, daß Thamars lauschende Seele im Lehrgange nicht nur mit geschichtlich-zeitbedecktem »Einst«, mit heiligem »Es war einmal« gespeist wurde. »Einst« ist ein unumschränktes Wort und eines mit zwei Gesichtern; es blickt zurück, weit zurück, in feierlich dämmernde Fernen, und es blickt vorwärts, weit vorwärts in Fernen, nicht minder feierlich durch ihr Kommen-sollen, als jene anderen durch ihr Gewesen-sein. Manche leugnen dies; ihnen ist feierlich nur das Einst der Vergangenheit, dasjenige aber der Zukunft gilt ihnen für schnöde. Frömmlerisch sind sie statt fromm, Narren und trübe Seelen, Jaakob saß nicht in ihrer Kirche. Wer nicht das Einst der Zukunft ehrt, ist nicht des Einst der Vergangenheit wert und stellt sich auch zum heutigen Tag verkehrt. Dies ist unsere Lehrmeinung, wenn wir sie einschalten dürfen in die Lehren, die Jaakob ben Jizchak der Thamar erteilte, und die voll waren vom doppelten »Einst«, wie denn auch nicht, da er ihr ja die Welt erzählte, und da das Wort der Welt eben »Einst« ist als Kunde und Verkündigung? Sie mochte wohl dankbar zu ihm sagen und sagte es auch: »Du hast es zu wenig geachtet, Herr, Herr, mir zu künden, was sich begeben hat, sondern hast deiner Magd noch von fernem Zukünftigen geredet.« Denn so tat er ganz unwillkürlich, da ja in allen seinen Geschichten von Anbeginn ein Element der Verheißung einschlägig war, sodaß man nicht davon künden konnte, ohne auch zu verkünden.
Wovon sprach er zu ihr? Er sprach ihr von Shiloh.
Die Annahme ging völlig fehl, daß Jaakob erst auf dem Totenbett, einer Sterbe-Eingebung gemäß, sich über Shiloh, den Helden, ergangen hätte. Er hatte damals überhaupt keine Eingebungen, sondern ließ feierlich nur längst Vorbereitetes hören, was er bedacht und sich zurecht gelegt hatte ein halbes Leben lang, und wofür seine Sterbestunde eben nur ihre Weihe hergeben mußte. Dies betrifft die Segenssprüche und fluchartigen Beurteilungen der Söhne so gut wie die Erwähnung der Verheißungsfigur, die er Shiloh nannte, und mit der seine Gedanken zu Thamars Zeit längst angefangen hatten sich zu beschäftigen, wenn er auch zu niemandem sonst, als zu ihr, davon sprach, zum Dank ihrer großen Aufmerksamkeit und deswegen, weil er mit Resten seiner Gefühlskraft etwas verliebt in sie war. – Wen oder was meinte er mit Shiloh?
Wie er sich’s ausgesonnen hatte! – es war seltsam. Shiloh war nichts als ein Stadtname vorderhand, der Name einer ummauerten Ortschaft weiter nördlich im Lande, wo öfters die Landeskinder, wenn sie gekriegt und gesiegt hatten, zusammenkamen, um untereinander die Beute zu teilen, – kein sonderlich heiliger Platz. Er hieß aber Ruhe- und Rastplatz, denn das meint »Shiloh«; Frieden meint es und frohes Eratmen nach blutiger Fehde und ist ein Segenslaut, tauglich als Eigenname so gut wie als Name des Platzes. Darum, wie Sichem, der Burgsohn, ebenso hieß, wie seine Stadt, mochte auch Shiloh als Name dienen für einen Mann und Menschensohn, Friedreich geheißen, den Träger und Bringer des Friedens. In Jaakobs Gedanken war er der Mann der Gewärtigung, den Menschen verheißen in frühesten und immer erneuerten Angelobungen und Fingerzeigen, verheißen dem Schoße des Weibes, verheißen in Noahs Segen für Sem, verheißen dem Abraham, durch dessen Samen alle Geschlechter auf Erden sollten gesegnet sein: der Friedensfürst und der Gesalbte, der da herrschen würde von Meer zu Meer und vom Fluß bis zum Ende der Welt, dem alle Könige sich beugen und alle Völker anhangen
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