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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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bin zu dir heraufgeeilt von Ehesib in der Ebene, wo Schua’s Tochter mir diesen gebar, und wo sie jetzt krank liegt. Denn sie ist krank und neigt zum Sterben, und wenn auch Shelah mir stirbt, so bin ich kahl. Nicht von Gehorsamsverweigerung ist die Rede, denn du magst mir’s ja sichtlich garnicht befehlen, sondern nur als zweifelnde Anregung bringst du’s vor. Ich aber zweifle nicht erst, sondern sage Nein und Niemals dazu, für dich und mich. Was denkt sich dies Weib, daß ich ihr soll auch das Schäfchen geben und sie’s vertilge? Das ist eine Ischtar, die ihre Liebsten tötet! Eine Jünglingsfresserin ist das, von unersättlicher Gier! Dazu ist dieser ein Kind, noch unter seinen Jahren, und taugt das Lämmlein nicht in den Pferch ihrer Arme.«
    Wirklich konnte man sich Shelah, wenigstens vorläufig, vermählt garnicht vorstellen. Er sah mehr aus wie ein Engel, denn wie ein Menschensohn, süffisant und unbrauchbar, und hatte weder Bart noch Baß.
    »Es ist nur wegen des Schuhes und wegen des Weiteren«, erinnerte Jaakob zögernd, »wenn der Knabe sich sperrt, seines Bruders Haus zu erbauen.«
    »Ich werde dir etwas erwidern, mein Herr«, sprach Juda. »Wenn diese Fresserin jetzt nicht hingeht und Leidkleider anzieht und fortan nicht sittsam Leid trägt in ihres Vaters Hause als eine Witwe, der zwei Männer gestorben sind, und sich ruhig verhält, so werde ich selbst, so wahr ich dein Vierter bin, ihr einen Schuh ausziehen vor allem Volk und auch das Zugehörige tun und sie offen der Vampyrei bezichtigen, daß man sie steinige oder verbrenne!«
    »Du gehst zuweit«, sagte Jaakob, peinlich berührt, »in deiner Unlust zu meiner Anregung.«
    »Gehe ich zu weit? Und wie weit würdest du gehen, wenn man dir Benjamin nehmen wollte, und wollte ihn vielleicht auf die gefährlichste Reise schicken, der doch nicht dein Letzter ist, sondern nur dein Jüngster? Den hütest du mit dem Stabe und hältst ihn kurz an dich, daß er nicht auch abhanden komme, und darf kaum auf die Straße. Nun, Shelah ist mein Benjamin, und ich sträube mich, alles sträubt sich hoch auf an mir gegen seine Herausgabe!«
    »Ich will dir einen Vorschlag zur Güte machen«, sprach Jaakob, dem dies Argument sehr nahe ging, »nämlich zu dem Behuf, daß wir Zeit gewinnen und dabei die Magd, deine Schnur, nicht hart vor die Stirne stoßen. Denn nicht abschlagen wollen wir ihr ihr Verlangen, sondern es ihr abgewöhnen. Geh’ hin und sage ihr: Mein Sohn Shelah ist noch zu klein und sogar hinter seinen Jahren zurück. Bleibe eine Witwe in deines Vaters Haus, bis der Knabe groß wird, dann will ich ihn dir geben, daß er seinem Bruder Samen erwecke. So bringen wir ihr Verlangen für einige Jahre zum Schweigen, eh’ sie’s erneuern kann. Aber vielleicht wird ihr geläufig der Witwenstand, und sie erneuert es garnicht. Oder, wenn doch, so vertrösten wir sie und erklären mit mehr oder weniger Recht, dein Sohn sei noch immer nicht groß geworden.«
    »Sei es darum«, sprach Juda. »Mir ist es ganz gleich, was wir ihr sagen, wenn ich nur nicht den zarten Hochmut dem Moloch muß in die glühenden Arme legen.«
    Die Schafschur
    Es geschah nach Jaakobs Weisung. Thamar nahm ihres Schwiegervaters Bescheid mit finsteren Brauen auf, ihm dabei tief in das Auge blickend. Aber sie fügte sich. Als eine Witwe und als ein Weib, das Leid trägt, blieb sie in ihres Vaters Haus und ließ nichts von sich hören, ein Jahr und zwei Jahre und sogar noch ein drittes. Nach zweien hätte sie mit Fug und Recht ihren Anspruch erneuern können; aber ausdrücklich wartete sie noch ein drittes, um nicht beschieden zu werden, Shelah sei noch zu klein. Die Geduld dieser Frau war eben so ansehnlich wie ihre Entschlossenheit. Aber Entschlossenheit und Geduld, die beiden sind wohl ein und dasselbe.
    Als nun aber Shelah neunzehn war und also in der Blüte der ihm erreichbaren Männlichkeit stand, trat sie vor Juda und sprach:
    »Die Frist ist um, und ist nun die Zeit gekommen, daß du mich deinem Sohne zum Weibe gebest und ihn mir zum Mann, damit er seinem Bruder Namen und Samen schaffe. Gedenke deiner Verschreibung!«
    Juda aber war, noch ehe das erste Wartejahr umgekommen, selber ein Witwer geworden; Schua’s Tochter war ihm gestorben, aus Gram über seine Knechtschaft bei Astaroth, dazu über ihrer Söhne Verderben und darüber, daß sie schuld daran sein sollte. Er hatte nur Shelah noch und war weniger als je gesonnen, ihn auf die fährliche Reise zu schicken. Darum erwiderte

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