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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Palme am Bach. Ich liebe ihn und will ihn auferbauen mit meiner Liebe zum Helden in Israel!«
    »Eine Heldin«, versetzte er, »bist du selbst, meine Tochter, und ich traue dir’s zu.«
    So versprach er ihr, sein Wort geltend zu machen bei Juda, dem Löwen, und war sein Herz von mancherlei widerstreitenden Empfindungen erfüllt. Denn er liebte das Weib mit starken Resten und freute sich, sie mit einer Männlichkeit zu beschenken, die von ihm kam. Doch dauerte es ihn und ging ihm gegen die Ehre, daß es sollte keine bessere Männlichkeit sein. Drittens aber, er wußte nicht warum, war ihm leise grausig zu Mute bei dieser ganzen Geschichte.
    »Nicht durch uns!«
    Juda hauste nicht mit seinen Brüdern im Haine Mamre beim Vater, sondern, seit er gut Freund geworden mit dem Manne Hirah, weidete er weiter abwärts gegen die Ebene auf den Triften Odollam, und dort führten auch ’Er, sein Ältester, und Thamar ihre Ehe, gestiftet von Jaakob, da er den Vierten vor sich entboten und sein Wort hatte geltend gemacht vor ihm. Warum hätte Juda löcken sollen gegen das Wort? Es waren etwas trübe Gebärden, mit denen er darein willigte, aber er willigte ohne Umstände darein, und so ward Thamar dem ’Er zum Weibe gegeben.
    Es ziemt uns nicht, hinter den Vorhang dieser Ehe zu blicken; schon damals gleich hatte niemand Lust dazu, und immer hat die Menschheit sich mit barscher Bündigkeit über die Tatsachen geäußert, unter Verzicht auf Mitleid und Beschuldigung, die richtig anzubringen ihr stets zu umständlich schien. Die Elemente des Mißgeschicks waren auf einer Seite geschichtlicher Ehrgeiz, verbunden mit Eigenschaften astartischer Art, und auf der anderen jugendliche Entnervtheit, die keiner ernsten Lebensprobe gewachsen war. Man tut am besten, dem Beispiel der Überlieferung zu folgen und barsch und bündig mitzuteilen, daß Juda’s ’Er ganz kurze Zeit nach der Hochzeit starb, oder, wie jene es ausdrückt, daß der Herr ihn tötete, – nun ja, der Herr tut alles, und alles, was geschieht, kann man als seine Tat bezeichnen. In Thamars Armen starb der Jüngling an einem Blutsturz, der wohl seinen Tod herbeigeführt hätte, auch wenn er nicht am Blute erstickt wäre; und mancher wird es noch tröstlich finden, daß er wenigstens nicht ganz allein starb, wie ein Hund, sondern in seines Weibes Armen, obgleich es auch wieder beschwerend ist, sich diese gefärbt vom Lebens- und Sterbensblute des jungen Gatten vorzustellen. Mit finsteren Brauen stand sie auf, wusch sich rein und verlangte Onan, Juda’s Zweiten, zum Manne.
    Die Entschlossenheit dieser Frau hat alle Zeit etwas Verblüffendes gehabt. Sie ging zu Jaakob hinauf und klagte ihm ihr Leid, klagte gewissermaßen Gott bei ihm an, so daß der Alte Jah’s wegen in Verlegenheit geriet.
    »Mein Mann ist mir gestorben«, sagte sie, »’Er, dein Enkel, jählings und im Nu! Ist das zu verstehen? Wie kann Gott das tun?«
    »Er kann alles«, antwortete er. »Demütige dich! Er tut, wenn sich’s trifft, das Ungeheuerlichste, denn alles zu können, ist, wenn man’s recht bedenkt, eine große Versuchung. Es sind Wüstenreste, such’ es dir so zu erklären! Er stößt zuweilen auf einen Mann und tötet ihn mir nichts, dir nichts, ohne Erläuterung. Man muß es hinnehmen.«
    »Ich nehme es hin«, versetzte sie, »von wegen Gottes, aber nicht für mein Teil, denn meine Witwenschaft erkenn’ ich nicht an, ich kann’s und darf’s nicht. Ist einer ausgefallen, so muß unmittelbar der Nächste eintreten für ihn, daß nicht mein Funke auslösche, der noch übrig ist, und meinem Mann kein Namen und nichts Übriges bleibe auf Erden. Ich spreche nicht für mich allein und für den Getöteten, ich spreche allgemein und für ewig. Du mußt, Vater-Herr, dein Wort geltend machen in Israel und es zur Satzung erheben, daß, wo da Brüder sind, und einer stirbt ohne Kinder, so soll sein Weib nicht einen fremden Mann draußen nehmen, sondern ihr Schwager soll einspringen und sie ehelichen. Den ersten Sohn aber, den sie gebiert, soll er bestätigen nach dem Namen seines verstorbenen Bruders, daß dessen Name nicht vertilgt werde aus Israel!«
    »Wenn’s aber dem Manne nicht gefällt«, wandte Jaakob ein, »daß er seine Schwägerin nehme?«
    »In diesem Fall soll sie hervortreten«, sprach Thamar fest, »und es allen ansagen: Mein Schwager weigert sich, seinem Bruder einen Namen zu erwecken in Israel und will mich nicht ehelichen. Dann soll man ihn fordern und mit ihm reden. Wenn er aber

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