Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
steht und spricht: Es gefällt mir nicht, sie zu nehmen, so soll sie zu ihm treten vor allem Volk und ihm einen Schuh ausziehen von seinen Füßen und ihn anspeien und soll antworten und sprechen: Also soll man tun einem jeden Mann, der seines Bruders Haus nicht erbauen will. Und sein Name soll ›Barfüßer‹ sein!«
»Da wird er sich freilich bedenken«, sagte Jaakob. »Und du hast insofern recht, meine Tochter, als es mir leichter fallen wird, mein Wort geltend zu machen bei Juda, daß er dir den Onan zum Manne gebe, wenn ich’s allgemein mache und mich dabei auf die Satzung stützen kann, die ich veröffentlicht habe unter dem Unterweisungsbaum.«
Es war die Schwagerehe, die da auf Thamars Betreiben gegründet wurde, eine geschichtliche Sache. Dies Landmädchen hatte nun einmal einen Trieb zum Geschichtlichen. Ohne Witwenschaft erhielt sie den Knaben Onan zum Manne, ob Juda auch wenig Lust zeigte zu der Schlichtung und Seitenheirat und der Betroffene noch weniger. Jehuda, vom Vater heraufgefordert von der Trift Odollam, löckte längere Zeit gegen den Ratschlag und bestritt, daß es ratsam sei, mit dem Zweiten zu wiederholen, was mit dem Ersten so unselig ausgegangen. Auch sei Onan erst zwanzig und, wenn überhaupt für die Ehe geschaffen, so jedenfalls noch nicht für sie reif, noch zu ihr willens und aufgelegt.
»Aber sie wird ihm den Schuh ausziehen und dergleichen mehr, wenn er sich weigert, seines Bruders Haus zu erbauen, und er wird ›Barfüßer‹ heißen sein Leben lang.«
»Du tust, Israel«, sagte Juda, »als sei das nun einmal so, da du es doch selbst eben erst eingeführt hast, und ich weiß auch, auf wessen Rat.«
»Aus der Magd spricht Gott«, erwiderte Jaakob. »Er hat sie zu mir geführt, daß ich sie mit ihm bekannt mache und er aus ihr reden könne.«
Da löckte Juda nicht mehr und verordnete die Heirat.
Den Alkovenspäher zu machen, ist unter der Würde dieses Erzählers. Barsch und bündig denn: Juda’s Zweiter, in seiner Art hübsch und nett, nämlich auf eine zweifelhafte Art, war, wiederum in seiner Art, ein Charakter, – will sagen: im Sinn einer wurzelhaften Widersetzlichkeit, die einem Urteilsspruch über sich selbst und einer Verneinung des Lebens in ihm selber gleichkam. Nicht gerade seines persönlichen Lebens, denn er hatte viel Eigenliebe und schmückte und schminkte sich stutzerhaft; aber aller Fortsetzung des Lebens nach ihm und durch ihn, – zu dieser sagte er innerlichst nein. Es heißt, er habe sich geärgert, daß er als Ersatz-Gatte einspringen und nicht sich selbst, sondern seinem Bruder Samen erwecken sollte. Das ist wohl wahr; soweit Worte und selbst Gedanken in Frage kommen, mochte er die Sache bei sich so artikulieren. In der Wirklichkeit, für die Gedanken und Worte nur Umschreibungen sind, war diesem ganzen Juda-Geschlecht das Wissen eingeboren, daß es eine Sackgasse bilde, und daß das Leben, welche Wege es nun immer einschlagen mochte, jedenfalls nicht durch sie, die drei Buben, weiterführen sollte, wollte, konnte und durfte. Nicht durch uns! sagten sie einhellig und hatten in ihrer Art recht. Leben und Schälerei mochten ihrer Wege gehen; sie pfiffen darauf. Namentlich Onan tat das, und seine Hübschheit und Nettheit war nur die Äußerung der Eigenliebe dessen, über den es nicht weitergeht.
Zur Ehe genötigt, beschloß er, den Schoß zum Narren zu halten. Doch hatte er die Rechnung ohne Thamars astartisch gerüsteten Ehrgeiz gemacht, der gegen seine Widersetzlichkeit wie eine Wetterwolke gegen die andere stand und mit ihr den ausgleichenden Blitzschlag des Todes zeugte. In ihren Armen starb er, von einem Nu zum anderen, an plötzlicher Lebenslähmung. Das Gehirn stand ihm still, und er war tot.
Thamar erhob sich und verlangte stracks, daß man ihr nunmehr den Shelah, Juda’s Jüngsten, der erst sechzehn Jahre alt war, zum Manne gebe. Nennt Einer sie die verblüffendste Figur dieser ganzen Geschichte, so wagen wir nicht zu widersprechen.
Diesmal drang sie nicht durch. Schon Jaakob schwankte sehr, wenn auch nur in Erwartung von Juda’s emphatischem Einspruch, der nicht auf sich warten ließ. Man hieß ihn wohl einen Löwen, aber wie eine Löwin stand er vor seinem letzten Knaben, was dieser nun immer taugen mochte, und wollte nicht.
»Nie und nimmer!« sagte er. »Daß er mir auch verderbe, nicht wahr?, blutig wie der Erste oder unblutig wie der Zweite, da sei Gott vor, und es geschehe mitnichten! Ich habe gehorsamt deiner Vorladung, Israel, und
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