Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
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»Er sandte euch zu mir?« wiederholte Joseph und schob sein Schnupftuch übers ganze Gesicht hinauf. Dann blickte er wieder darüber hervor.
»Mann, du überraschst mich durch die Dünnigkeit deiner Stimme, die aus einem turmartig gebauten Leibe kommt, aber noch mehr erstaunt mich die Meinung deiner Worte. Euch hat ja alle die Zeit schon versilbert in Haar und Bärten und euer Ältester, der sich des Bartes enthält, ist desto greiser dafür auf dem Kopf. Ihr verstrickt euch in Aussagen, die mir nicht glaubwürdig, denn nicht wie Leute seht ihr mir aus, deren Vater noch lebt.«
»Bei deinem Antlitz, er lebt, o Herr«, sagte nun Juda. »Laß mich meines leiblichen Bruders Worte bezeugen! Wir gehen mit Wahrheit um. Unser Vater, dein Knecht, lebt in Feierlichkeit und ist nicht gar so alt, etliche achtzig oder auch bis zu neunzig, was nichts besonderes ist in unserem Stamm. Denn unser Urgroßvater war schon hundert, als er sich noch den Rechten und Echten erzeugte, unseres Vaters Erzeuger.«
»Was für eine Barbarei!« sagte Joseph mit brechender Stimme. Er sah sich nach seinem Haushalter um, wandte sich wieder zurück und sprach eine Weile kein Wort, sodaß alle Welt unruhig wurde.
»Ihr könntet«, sagte er endlich, »präziser und ohne auf Unwesentliches abzukommen, meine Fragen beantworten. Was ich euch fragte, war, wie ihr unter so widrigen Umständen die Reise bestanden, ob ihr sehr unter der Dürre gelitten, ob sich euer Wasser gehalten, ob Raubgesindel oder ein Staub-Abubu euch heimgesucht, ob keinen der Hitzstich getroffen – das wollte ich wissen.«
»Es ist uns sehr leidlich ergangen, Adôn, wir danken der gütigen Nachfrage. Unser Reisezug war stark gegen Räuber, unser Wasser bestens versorgt, kaum einen Esel haben wir eingebüßt und blieben alle gesund. Ein Staub-Abubu von mittlerer Unannehmlichkeit war alles, was wir zu bestehen hatten.«
»Desto besser. Meine Nachfrage war nicht gütig, sie war streng sachlich. Etwas Ungewöhnliches ist eine Reise wie eure ja auch durchaus nicht. Es wird soviel gereist in der Welt; siebzehntägige Reisen, selbst sieben Mal siebzehntägige sind gang und gäbe, und Schritt vor Schritt wollen sie zurückgelegt sein, denn schwerlich springt jemandem die Erde entgegen. Da ziehen die Kaufleute von Gilead den Weg, der von der Stätte Beisan über Jenin geht, durch das Tal – wartet! ich wußt’ es doch, aber ich weiß es schon wieder: durch das Tal Dotan, von wo sie die große Karawanenstraße gewinnen von Damaschki nach Lejun und Ramleh zum Hafen Chazati. Ihr hattet’s bequemer. Ihr seid von Hebron nach Gaza hinunter, ganz einfach, und seid dann der Küste gleich geschritten, hinab, gegen dieses Land?«
»Du sagst es, Moschel. Du weißt alles.«
»Ich weiß sehr Vieles. Teils vermöge natürlichen Scharfsinns, teils durch andere Mittel, die einem Manne wie mir zu Gebote stehen. In Gaza aber, wo ihr euch wohl mit dem Reisezuge vereinigtet, begann erst der Reise übelster Teil. Man hat da eine eiserne Stadt und einen verdammten Meeresgrund zu bestehen, bedeckt mit Gerippen.«
»Wir sahen nicht hin und kamen mit Gott durchs Greuliche.«
»Das freut mich. Führte euch wohl auch eine Feuersäule?«
»Zeitweise zog uns eine voran. Sie stürzte zusammen, und dann kam der mäßig unangenehme Staub-Abubu.«
»Ihr wolltet mit seinen Schrecken wohl nur nicht prahlen. Leicht hätte er euch tödlich werden können. Es bekümmert mich, daß Reisende solchen Unbilden ausgesetzt sind auf der Fahrt herab nach Ägypten. Ich sage das streng sachlich. Aber dann prieset ihr euch wohl glücklich, als ihr in den Bereich unserer Bastionen und Wachttürme kamt?«
»Laut priesen wir uns glücklich und dankten dem Herrn für unsre Verschonung.«
»Erschrakt ihr vor der Feste Zel und ihren Heerscharen?«
»Wir erschraken vor ihr in verehrendem Sinn.«
»Und wie geschah euch dort?«
»Man verwehrte uns nicht den Durchzug, da wir bekundeten, Käufer zu sein und Korn entnehmen zu wollen aus dieser Kornkammer, damit unsere Weiber und Kinder lebten und nicht stürben. Aber man sonderte uns ab.«
»Das wollte ich hören. Wundert ihr euch über die Maßnahme der Absonderung? So etwas wie Absonderung war euch wohl niemals vorgekommen, geschweige denn, daß ihr jemals selbst dergleichen bewirkt hättet? Immerhin ließ man euch Bündel gebündelt und vollzählig beisammen, alle zehn, wenn man zehn vollzählig nennen kann; man sonderte keinen von euch ab und trennte euch nur von
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