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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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geheißen.«
    »Was du sagst«, erwiderte Joseph. »Was du sagst.« Und eine Weile verschwamm sein Blick, über ihre Köpfe dahingehend, im Leeren, in der Weite des Saals.
    »Warum unterbrichst du, Löwenhaupt, den Versuch eurer Rechtfertigung?« fragte er dann. »Weißt du nicht weiter damit?«
    Juda lächelte nachsichtig. Er sagte nicht geradezu, daß nicht er selbst sich immerfort unterbreche.
    »Dein Diener war im Begriffe und bleibt es«, antwortete er, »dir, mein Herr, unsere Bewandtnisse, und wie es herging mit unsrer Fahrt, im Zusammenhang und getreulich darzutun, daß du sehest, wir gehen mit Wahrheit um. Zahlreich ist unser Haus – nicht gerade schon wie der Sand am Meer, aber sehr vielköpfig. An die siebenzig zählen wir, denn wir alle sind Häupter unter des Vaters Haupt, alle sind wir vermählt und gesegnet mit ...«
    »Vermählt alle zehn?«
    »Vermählt alle elf, o Herr, und gesegnet mit ...«
    »Was, auch euer Jüngster ist ein vermähltes Haupt?«
    »Ganz wie du sagst, Herr. Von zwei Weibern hat er acht Kinder.«
    »Es ist nicht möglich!« rief Joseph, ohne die Übersetzung abzuwarten, schlug auf die Löwenlehne und brach in lautes Lachen aus. Auch die ägyptischen Beamten hinter ihm lachten aus Unterwürfigkeit mit. Die Brüder lächelten ängstlich. Mai-Sachme, sein Haushalter, gab ihm einen heimlichen Stupf in den Rücken.
    »Ihr nicktet«, sprach Joseph und trocknete sich die Augen; »so verstand ich, daß auch euer Jüngster vermählt und Vater ist. Das ist ja prächtig. Ich lache nur, weil es so prächtig ist – und eben zum Lachen. Denn einen Jüngsten pflegt man sich ja als Knirps vorzustellen und als ein Kleinchen, nicht aber als Eheherrn und Vaterhaupt. Von dieser Vorstellung ging ich aus bei meinem Lachen, das übrigens, wie ihr seht, sehr bald ein Ende genommen hat. Diese Sache ist viel zu ernst und verdächtig, als daß man lachen sollte. Und daß du, Löwenhaupt, schon wieder stocktest in deiner Rechtfertigung, dünkt mich ein bedenkliches Zeichen.«
    »Mit deiner Gewährung«, antwortete Juda, »fahre ich fort in ihr ohne Stocken und im Zusammenhang. Denn die Teuerung, welche man lieber mit Schrecken eine Hungersnot nennen sollte, weil nichts da ist, was teuer sein könnte, dieses Ungemach drückte das Land, die Herden verdarben und an unser Ohr schlug das Weinen unserer Kinder nach Brot, welches, o Herr, der bitterst-unleidliche aller Laute ist für ein Menschenohr, außer etwa gar noch die Beklagnis heiligen Alters, daß sogar ihm abgehe das Tägliche und würdig Gewohnte; denn wir hörten den Vater sagen, nicht viel fehle, so gehe die Lampe ihm aus, und er müsse im Dunkeln schlafen.«
    »Unerhört«, sagte Joseph. »Das ist ja ein Ärgernis, um nicht zu sagen: ein Greuel! Läßt man es dahin kommen? Keine Vorsorge, keine Gewärtigung und kein Vorbauen gegen die Heimsuchung, die noch in der Welt ist und immer Gegenwart annehmen kann! Keine Einbildungskraft, keine Furcht und keine Rücklage! In den Tag gelebt wie das liebe Vieh und nichts bedacht, was nicht gerade Eräugnis ist, bis dann schließlich der Vater auf seine alten Tage muß das Gewohnte entbehren. Schämt euch! Habt ihr denn keine Bildung und keine Geschichten? Wißt ihr nicht, daß unter bestimmten Umständen das Sprossen gefesselt und alles Blühen gebunden ist, weil nämlich das Feld nur noch Salz gebiert und kein Kraut mehr aufgeht, noch gar Getreide wächst? Daß dann das Leben in Trauer erstarrt, sodaß der Stier nicht die Kuh bespringt, noch der Esel sich über die Eselin beugt? Habt ihr garnie von Wasserfluten gehört, die die Erde ersäufen und die nur der Gescheite übersteht, der sich einen Kasten gemacht hat, darin zu schwimmen auf der wiedergekehrten Urflut? Muß sich, bis ihr sorgt, erst alles eräugnen und gegenwendig werden, was nur abgewendet war, sodaß es dann teuerstem Alter an Öl für die Lampe gebricht?«
    Sie ließen die Köpfe hängen.
    »Fahrt fort!« sagte er. »Der da sprach, fahre fort! Aber laßt mich nichts mehr davon hören, daß euer Vater im Dunklen schläft!«
    »Es ist nur bildlich gemeint, Adonai, und will nur bedeuten, daß er mitbetroffen ist von dem Ungemach und hat keine Opfersemmeln. Viele sahen wir sich gürten und sich auf den Weg machen in dieses Land, daß sie kauften aus Pharao’s Scheuern und heimbrächten Speise, denn in Ägypten allein ist Korn und ist Markt. Aber lange mochten wir dem Vater nicht mit dem Vorschlage kommen, daß wir uns auch gürteten und

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