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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Schreibhaus, wenn sie da sind, morgen oder übermorgen und werden vor mich geführt im großen Saal des Ernährers, wo er mannigfach abgebildet ist an den Wänden? Du bist natürlich von meiner Umgebung. Ich muß eine stattliche Umgebung haben bei dem Empfang ... Ach, Mai«, rief der Erhöhte und schlug die Hände vor sein Gesicht, dieselben Hände, denen Benoni, der Knirps, einst zugesehen hatte im Hain des Herrn beim Flechten des Myrtenkranzes, und an deren einer nun Pharao’s Ring »Sei wie ich«, der himmelblaue Lasurstein saß, – »ich werde sie sehen, die Meinen, die Meinen, denn das waren sie immer, so arg es auch zeitweise zuging zwischen uns durch gemeinsame Schuld! Ich werde mit ihnen reden, den Söhnen Jaakobs, meinen Brüdern, ich werde hören, ob der Vater noch lebt, dem ich solange im Tode verstummen mußte, und ob er noch hören kann, daß ich lebe, und daß Gott das Tier für den Sohn genommen! Alles werde ich hören und aus ihnen herausbekommen, – wie Benjamin lebt, und ob sie sich brüderlich zu ihm stellen, und müssen ihn herbeischaffen und den Vater auch! Ach, mein Fronvogt, der nun mein Hausvogt ist, es ist garzu aufregend und festlich! Und mit festlichem Spaß soll es ausgeführt sein aufs Allerheiterste. Denn die Heiterkeit, Freund, und der verschlagene Scherz sind das Beste, was Gott uns gab, und sind die innigste Auskunft vor dem verwickelten, fragwürdigen Leben. Gott gab sie unserem Geist, daß wir selbst dieses, das strenge Leben, mögen damit zum Lächeln bringen. Daß mich die Brüder zerrissen und mich in die Grube warfen und daß sie nun sollen vor mir stehen, das ist Leben; und Leben ist auch die Frage, ob man die Tat beurteilen soll nach dem Ergebnis und soll gut heißen die böse, weil sie notwendig war fürs gute Ergebnis. Das sind so Fragen, wie sie das Leben stellt. Man kann sie im Ernst nicht beantworten. Nur in Heiterkeit kann sich der Menschengeist aufheben über sie, daß er vielleicht mit innigem Spaß über das Antwortlose Gott selbst, den gewaltigen Antwortlosen, zum Lächeln bringe.«
    Das Verhör
    Joseph war wie Pharao, wenn er, unter weißen Straußenfächern, die Schurzknaben in Pagen-Haartracht über ihn hielten, und deren Federn in getriebenen Goldschilden steckten, umgeben von Großschreibern des Amtshauses, außerordentlich hochnäsigen Magistraten, auf seinem Stuhl im Saal des Ernährers saß, an dessen Estrade, rechts und links, Lanzenträger der Hauswache Standdienst versahen. Zwei Doppel-Reihen schmuckhaft beschrifteter, orangefarbener Säulen auf weißen Basen mit grünen Lotoskapitellen liefen vor ihm dahin gegen die fernen Eingangstüren mit Oberstücken in Schmelzfarben, und an den raumreichen Seitenwänden der Halle, über dem Sockelfries, war vielfach wiederkehrend Chapi, der Überwallende, abgebildet, menschengestaltig, mit verhülltem Geschlecht, eine Brust männlich, die andre vom Weibe, den Königsbart am Kinn, Sumpfpflanzen auf dem Haupt, auf den Handflächen das Gabenbrett mit Blüten des Dickichts und schlanken Wasserkrügen. Zwischen den Wiederholungen des Gottes war noch anderes Leben in großen Linien und freudigen Farben abgebildet, aufjubelnd in den Lichtbündeln, die durch die Steingitter der hochgelegenen Fenster fielen: Saat und Drusch, und wie Pharao selbst mit Ochsen pflügte und den ersten Schnitt mit der Sichel ins Goldene tat, auch die sieben Osiris-Kühe nebst dem Bullen, dessen Namen er weiß, hinter einander schreitend, wozu Inschriften kamen, herrlich angeordnet, wie zum Beispiel: »O, daß der Nil mir Speise schaffe, Nahrung, jedes Gewächs zu seiner Zeit!«
    So der Saal des Gehörs, wo der Vice-Horus alles Geschrei nach Saat- und Brotfrucht vor sich kommen ließ, über das er sich selbst die Entscheidung vorbehielt. Hier saß er auch den dritten Tag nach jener Unterredung mit Mai-Sachme, seinem Haushalter, der hinter ihm stand und ihm in der Tat vorher einen Braus gemischt hatte, und hatte eben eine bezopfte und bärtige, in Schnabelschuhen einhertretende Abordnung aus dem Lande des Großkönigs Murschili, nämlich Chatti, wo auch Dürre herrschte, beschieden, – auf recht zerstreute und lässige Art, wie allgemein auffiel, denn er hatte den chetitischen Stadtschulzen, seinem »Wirklichen Schreiber« diktierend, mehr Weizen, Spelt, Mohrenhirse und Reiskorn zu einem billigeren Preise bewilligt, als sie selber in Vorschlag gebracht hatten. Einige vermuteten staatsweise Gründe dafür und daß es, wer wußte, warum,

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