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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Dan, nach der Spitzfindigkeit deiner Worte zu urteilen, bildest du dir wohl ein, zum Richter zu taugen, und zwar in eigener Sache? Aber hier bin ich es, der aufstellt das Recht, und weiß zu machen hat sich vor mir der Verdächtige. Habt wohl ihr Sandbewohner und Söhne des Elends einen Begriff von der verletzlichen Kostbarkeit dieses hochfeinen Landes, über das ich gesetzt bin und habe sein Heil zu verantworten vor Gottes Sohn im Palaste? Bedroht ist es immerdar von der lüsternen Gier der Wüstlinge, die nach seiner Blöße spähen, Bedu, Mentiu, Antiu und Peztiu. Sollen es hier die Chabiren treiben, wie sie’s getrieben haben dann und wann draußen in Pharao’s Provinzen? Ich weiß von Städten, über die sie gekommen sind wie die Tollen und haben in ihrer Wut den Mann erwürgt und den Ochsen verderbt in ihrem barbarischen Mutwillen. Ihr seht, ich weiß mehr, als ihr dachtet. Zwei oder drei von euch, ich will nicht sagen: alle, sehen mir ganz so aus, als wären sie sehr wohl solcher Streiche fähig. Und ich soll euch auf’s bloße Wort glauben, daß ihr’s nicht übel vorhättet und hättet’s nicht abgesehen auf des Landes Geheimnis?«
    Sie bewegten sich untereinander und berieten mit aufgeregten Gebärden. Am Ende war’s Juda, dem sie zunickten, daß er antworte und ihre Sache führe. Er tat es mit der Würde des Geprüften.
    »Herr«, sagte er, »laß mich reden vor dir und dir unsere Bewandtnisse darlegen, der genauen Wahrheit gemäß, daß du erkennen mögest, mit ihr gehen wir um. Siehe, wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, alle eines Mannes Söhne im Lande ...«
    »Halt! Wie?« rief Joseph, der sich wieder gesetzt hatte, hier aber beinahe aufs neue aufgesprungen wäre. »Jetzt seid ihr auf einmal zwölf? Ihr seid also nicht mit Wahrheit umgegangen, als ihr behauptetet, ihr wäret zehn?«
    »... im Lande Kanaan«, vollendete Juda mit Festigkeit und fast mit dem Ausdruck, als sei es unschicklich und voreilig, ihn zu unterbrechen, jetzt, wo er sich anschickte, alles zu sagen und reinen Wein einzuschenken. »Zwölf Söhne sind wir, deine Knechte, oder waren es doch – nie haben wir vorgegeben, vollzählig zu sein, so wie wir dir vor Augen stehen, sondern nur bezeugt, daß wir alle zehn eines Mannes Söhne sind. Von Hause aus sind wir zwölf, aber unser jüngster Bruder, von keiner unserer Mütter gebürtig, sondern von einer vierten, die seit sovielen Jahren tot ist, wie sein Leben Jahre zählt, ist bei unserem Vater zurückgeblieben, und einer von uns ist nicht mehr vorhanden.«
    »Was heißt das: nicht mehr vorhanden?«
    »Abhanden gekommen, Herr, bei frühen Jahren, dem Vater und uns von der Hand gekommen. Er hat sich in die Welt verloren.«
    »Das muß ein abenteuerlustiger Bursche gewesen sein. Was geht er mich übrigens an. Der Kleine aber, euer jüngster Bruder, ist nicht von eurer Hand – er ist euch nicht von der Hand gekommen, sondern ist bei der Hand?«
    »Er ist zu Hause, Herr, immer zu Hause an unsres Vaters Hand.«
    »Woraus ich zu schließen habe, daß dieser euer alter Vater noch lebt und daß es ihm wohl geht?«
    »Du fragtest das einmal schon, Adôn, halt’ es zu Gnaden, und wir bejahten es dir.«
    »Durchaus nicht! Es mag wohl sein, daß ich euch schon einmal nach eures Vaters Leben verhörte, aber nach seinem Wohlergehen verhöre ich euch hiemit zum ersten Mal.«
    »Deinem Knecht, unserm Vater«, antwortete Juda, »geht es wohl nach den Umständen. Diese aber sind drückend worden seit Jahr und Tag in der Welt, wie mein Herr weiß. Denn da der Himmel sein Segenswasser versagte einmal und zweimal, drückt die Teuerung je länger, je schwerer wie in allen Landen, so in den unseren. Sogar heißt, von Teuerung reden, das Übel verkleinern, denn es ist keine Halmfrucht vorhanden, für alles Geld nicht, weder zur Saat noch zur Speise. Unser Vater ist reich, er lebt auf behäglichstem Fuße ...«
    »Inwiefern reich und behäglich? Hat er zum Beispiel ein Erbbegräbnis?«
    »Du sagst es, Herr. Machpelach, die zweifache Höhle. Dort ruhen unsere Ahnen.«
    »Lebt er zum Beispiel auf solchem Fuß, daß er einen ältesten Knecht hat, einen Hausvogt, wie ich einen habe, der zudem noch Arzt ist?«
    »So ist es, Durchlauchtiger. Er hatte einen weisen und vielerfahrenen Großknecht, Eliezer mit Namen. Scheol birgt ihn; er neigte das Haupt und starb. Aber er hinterließ zwei Söhne: Damasek und Elinos, und der Älteste, Damasek, ist an des Verstorbenen Stelle getreten; er ist nun Eliezer

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