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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Sichem das feuchte Gekräusel ihrer kleinen Achselhöhle sah und durch Hemd und Oberkleid die zierlich harten Brüste strotzten. Sehr schlimm waren auch ihre dunklen Füßchen mit kupfernen Knöchelspangen und weichen Goldringen an allen Zehen mit Ausnahme der großen. Aber das Schlimmste fast waren die kleinen, goldbraunen Hände, mit geschminkten Nägeln, wenn sie in ihrem Schoße spielten, ebenfalls mit Ringen bedeckt, kindlich und klug zugleich, und wenn Sichem bedachte, wie es sein müßte, wenn diese Hände ihn liebkosen würden beim Beilager, so taumelten ihm die Sinne und die Luft ging ihm aus.
    Ans Beilager aber dachte er gleich und dann an nichts anderes mehr. Mit Dina selbst zu reden und ihr schön zu tun anders als mit Blicken, hatte die Sitte ihm nicht erlaubt. Aber alsbald, schon auf dem Heimwege und fortan in der Burg, lag er seinem Vater in den Ohren, er könnte nicht leben und sein Leib müsse verdorren ohne die chabirische Dirne und Hemor, der Alte, möge hinausgehen und sie ihm zum Weibe kaufen für sein Lager, sonst verdorre er schnellstens. Was blieb da Hemor, dem Gichtigen, anderes übrig zu tun, als daß er sich hinaustragen ließ und sich führen von zwei Männern in Jaakobs härenes Haus, als daß er sich vor ihm neigte, ihn Bruder nannte und ihm nach manchem Umschweif von dem starken Herzensgelüste seines Sohnes sprach, auch reiche Morgengabe bot für den Fall, daß Dina’s Vater in die Verbindung willige? Jaakob war überrascht und bestürzt. Dieser Antrag weckte ihm zwiespältige Gefühle, setzte ihn in Verlegenheit. Er war, weltlich gesehen, ehrenvoll, zielte auf die Herstellung verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen seinem Hause und einem Fürstenhause des Landes ab und konnte ihm und dem Stamme Nutzen tragen. Auch rührte ihn der Vorgang durch die Erinnerung an ferne Tage, an sein eigenes Werben um Rahel bei Laban, dem Teufel, und daran, wie dieser sein Verlangen hingehalten, ausgenutzt und betrogen hatte. Nun war er selber in Labans Rolle eingerückt, sein Kind war es, nach dem ein Jüngling Verlangen trug, und er wünschte nicht, sich in irgendeinem Sinn zu benehmen wie jener. Andererseits waren seine Zweifel an der höheren Schicklichkeit dieser Verbindung sehr rege. Er hatte sich niemals viel um Dina, das Frätzchen, gekümmert, da sein Gefühl dem entzückenden Joseph gehörte, und nie hatte er aus der Höhe irgendeine Weisung ihretwegen empfangen. Immerhin war sie seine einzige Tochter, das Begehren des Burgsohnes ließ sie in seinen Augen im Werte steigen, und er bedachte, daß er sich hüten müsse, diesen wenig beachteten Besitz vor Gott zu vertun. Hatte nicht Abraham sich von Eliezer die Hand unter die Hüfte legen lassen darauf, daß er Jizchak, dem wahrhaften Sohn, kein Weib nehmen wolle von den Töchtern der Kanaaniter, unter denen er wohnte, sondern ihm eines holen aus der Heimat im Morgen und aus der Verwandtschaft? Hatte nicht Jizchak das Verbot weitergegeben an ihn selbst, den Rechten, und gesprochen: »Nimm nicht ein Weib von den Töchtern Kanaans!« Dina war nur ein Mädchen und ein Kind der Unrechten überdies, und so wichtig wie im Falle der Segensträger war es wohl nicht, wie sie sich vermählte. Aber daß man vor Gott auf sich halte, war dennoch geboten.
    Die Bedingung
    Jaakob rief seine Söhne zu Rate bis herab zu Sebulun, zehn an der Zahl, und sie saßen alle vor Hemor, hoben die Hände und wiegten die Köpfe. Die tonangebenden älteren waren nicht die Männer, zuzugreifen, als hätten sie sich Besseres gar nicht erträumen können. Ohne Verständigung waren sie einig, daß mit Muße bedacht werden müsse, was aus der Lage zu machen sei. Dina? Ihre Schwester? Lea’s Tochter, die eben mannbar gewordene, liebreizende, unbezahlbare Dina? Für Sichem, Sohn Hemors? Das war selbstverständlich der reiflichsten Überlegung wert. Sie erbaten Bedenkzeit. Sie taten es aus allgemeiner Handelszähigkeit, aber Schimeon und Levi hatten noch ihre besonderen Hintergedanken und halbbestimmten Hoffnungen dabei. Denn keineswegs hatten sie auf ihre alten Pläne verzichtet, und was die Wasserverweigerung noch nicht herbeigeführt hatte, das wuchs, so dachten sie, hier vielleicht, in Sichems Wünschen und Werbung, heran.
    Bedenkzeit also, drei Tage. Und Hemor, etwas beleidigt, ließ sich davontragen. Nach Ablauf der Frist aber kam Sichem selbst ins Lager hinaus auf einem weißen Esel, um seine Sache zu führen, wie der Vater, der keine Lust mehr verspürte, es von ihm verlangt

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