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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Ausgesuchtheit seiner Gebärden, das Tremolo seiner Stimme, seine gebildete und blumige, in Satz und Gegensatz, Gedankenreim und mythischer Anspielung sich bewegende Rede nahmen vor allem Hemor, den Gichtigen, so sehr für ihn ein, daß er schon nach kurzem aufstand und hinging, den Scheich zu küssen, und der Beifall des Volks in der inneren Torhalle begleitete die Handlung. Was das Anliegen des Fremdlings betraf, das man im voraus kannte und das auf rechtmäßige Ansiedelung hinausging, so machte es dem Stadthaupte freilich einiges Beschwer, denn eine Anzeige an ferner, höchster Stelle, daß er, Hemor, das Land den Chabiren ausliefere, konnte seinem Alter Unbill bereiten. Allein stille Blicke, die er mit dem Vorsteher der Besatzung tauschte, welcher für sein Teil ebenso erwärmt von Jaakobs Wesen war wie er selbst, beruhigten ihn über diesen Punkt, und so eröffnete er den Handel mit dem schönen und selbstverständlich mit einer Verbeugung zu übergehenden Vorschlage, jener möge Land und Rechte einfach geschenkt nehmen, und rückte dann mit einem gewürzten Preise nach: hundert Schekel Silbers für ein Saatland, so groß wie zwölf ein halb Morgen, forderte er und fügte, gefaßt auf ein zähes Feilschen, die Frage hinzu, was das sei zwischen einem solchen Käufer und ihm! Doch Jaakob feilschte nicht. Seine Seele war bewegt und erhoben von Nachahmung, Wiederkehr, Vergegenwärtigung. Er war Abraham, der von Osten kam und von Ephron den Acker, die doppelte Grabstätte kaufte. Hatte der Gründer mit Hebrons Haupt und mit den Kindern Heth um den Preis gehadert? Es gab die Jahrhunderte nicht. Was gewesen, war wieder. Der reiche Abraham und Jaakob, der Reiche aus Osten, sie schlugen würdevoll ohne weiteres ein; chaldäische Sklaven schleppten die Standwaage, die Gewichtssteine heran. Eliezer, der Großknecht, trat nahe mit einem Tongefäß voll Ringsilber; es stürzten herzu die Schreiber Hemors, hockten hin und begannen die Friedens- und Handelsurkunde auszufertigen nach Recht und Gesetz. Dargewogen war das Entgelt für Acker und Weide, gültig und heilig der Vertrag, verflucht, wer ihn anfocht. Sichemiten waren die Jaakobsleute, Bürger, Berechtigte. Sie mochten ein- und ausgehen durch das Tor der Stadt nach ihrem Gefallen. Sie mochten das Land durchziehen und Handel treiben im Lande. Ihre Töchter wollten Schekems Söhne zu Weibern nehmen und Schekems Töchter ihre Söhne zum Mann. Von Rechtes wegen; wer sich dawidersetzte, sollte der Ehre bar sein für Lebenszeit. Die Bäume auf dem gekauften Felde waren Jaakobs ebenfalls, – ein Feind des Gesetzes, wer es bezweifelte. Weser-ke-Bastet als Zeuge drückte den Käfer seines Ringes in den Ton, Hemor seinen Stein, Jaakob die Siegelwalze an seinem Hals. Es war geschehen. Man tauschte Küsse und Schmeicheleien. Und so geschah Jaakobs Niederlassung bei der Stätte Schekem im Lande Kanaan.
    Jaakob wohnt vor Schekem
    »Weißt du davon?« – »Ich weiß es genau.« Mitnichten wußten es Israels Hirten noch genau, wenn sie es später am Feuer zum Gegenstand »Schöner« Gespräche machten. Guten Gewissens stellten sie manches um und verschwiegen anderes um der Geschichte Reinheit willen. Sie schwiegen davon, wie schiefe Mäuler die Söhne Jaakobs und namentlich Levi und Schimeon gleich damals zu dem Friedensvertrage gezogen, – und taten, als sei der Vertrag erst errichtet worden, als die Geschichte mit Dina und Sichem, dem Burgsohne, schon begonnen, – und zwar etwas anders begonnen hatte, als sie es »wußten«. Sie überlieferten es so, als habe eine gewisse Bedingung, die man dem Sichem in Beziehung auf Jaakobs Tochter stellte, einen Punkt des Verbrüderungsdokumentes ausgemacht, – während diese Bedingung völlig eine Sache für sich war und zu einem ganz anderen Zeitpunkt erstellt wurde, als sie »genau zu wissen« vorgaben. Wir werden es darlegen. Der Vertrag war das erste. Ohne ihn hätte die Ansiedelung der Jaakobsleute gar nicht statthaben und auch das Folgende sich nicht ereignen können. Sie zelteten seit fast vier Jahren vor Schekem, am Eingang des Tals, als die Wirren eintraten; sie bauten ihren Weizen auf dem Acker und ihre Gerste auf der Krume des Feldes; sie ernteten das Öl ihrer Bäume, sie weideten ihre Herden und trieben Handel damit im Lande; sie gruben einen Brunnen dort, wo sie siedelten, vierzehn Ellen tief und sehr breit, mit Mauerwerk gefüttert, den Jaakobsbrunnen ... Einen Brunnen – so tief und breit? Was brauchten die Kinder Israel

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