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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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überhaupt einen Brunnen, da doch die befreundeten Städter einen hatten vor dem Tor und das Tal voller Quellen war? Ja, gut, sie brauchten ihn auch nicht gleich, sie legten ihn nicht unmittelbar nach ihrer Niederlassung an, sondern erst etwas später, als sich gezeigt hatte, daß in betreff des Wassers unabhängig zu sein und einen starken Vorrat davon auf ihrem eigenen Grunde zu besitzen, nämlich einen solchen, der auch bei größter Trockenheit nicht versiegte, für sie, die Ibrim, eine Lebensnotwendigkeit war. Das Verbrüderungsinstrument war errichtet, und wer daran deutelte, dessen Eingeweide sollten preisgegeben sein. Aber errichtet worden war es von den Häuptern, wenn auch unter dem Stimmungsbeifall des Volks, und Landfremde, Zugewanderte blieben die Jaakobsleute eben doch in den Augen der Leute Schekems, – nicht sehr bequeme und harmlose überdies, sondern recht dünkel- und lehrhafte, welche vor aller Welt etwas Geistliches vorauszuhaben meinten, dazu beim Vieh- und Wollhandel in einer Weise auf ihren Vorteil zu sehen wußten, daß schlechthin die Selbstachtung litt im Verkehr mit ihnen. Kurzum, die Verbrüderung war nicht durchgreifend, sie unterlag gewissen Abstrichen, wie eben dem, daß man den Ebräern die Benutzung der verfügbaren Wasserstellen, deren übrigens auch im Instrumente nicht Erwähnung geschehen, schon nach kurzem verweigerte, um sie etwas einzuschränken – und daher der große Jaakobsbrunnen, welcher als Merkmal dafür zu gelten hat, daß es schon vor den schwereren Wirren zwischen dem Stamme Israel und den Leuten von Schekem so stand, wie es eben zwischen eingelagerten Chabirenstämmen und den altrechtmäßigen Bewohnern des Landes zu stehen pflegte, nicht aber so, wie es gemäß der Sitzung unterm Stadttore hätte stehen sollen.
    Jaakob wußte es und wußte es nicht, das heißt: er sah davon ab und hielt seinen sanften Sinn den familiären und den geistlichen Dingen zugewandt. Damals lebte ihm Rahel, die Süßäugige, schwer erworben, fährlich entführt und ins Land der Väter gerettet, die Rechte und Liebste, seines Auges Wonne, seines Herzens Schwelgerei, seiner Sinne Labsal. Joseph, ihr Reis, der wahrhafte Sohn, wuchs heran; er wurde – reizende Zeit! – aus einem Kinde zum Knaben, und zwar zu einem so schönen, witzigen, schmeichelhaften, bezaubernden, daß dem Jaakob die Seele überwallte, wenn er ihn nur sah, und schon damals die Größeren anfingen, Blicke zu wechseln ob der Narretei, die der Alte anstellte mit dem mundfertigen Balg. Übrigens war Jaakob vielfach der Wirtschaft fern, unterwegs, auf Reisen. Er nahm die Beziehungen auf zu den Glaubensverwandten in Stadt und Land, besuchte die dem Gotte Abrahams geheiligten Stätten auf den Höhen und in den Tälern und erörterte in manchem Gespräch das Wesen des Einzig-Höchsten. Es ist sicher, daß er vor allem hinabzog gen Mittag, um nach einer Trennung, die fast ein Menschenalter gewährt, seinen Vater zu umarmen, sich ihm in seiner Fülle zu zeigen und einen Segen bestätigen zu lassen, der ihm so sichtbarlich angeschlagen. Denn Jizchak lebte damals noch, ein uralter Mann und längst völlig blind, während Rebekka vor Jahr und Tag schon ins Totenreich hinabgestiegen war. Dies aber war auch der Grund, weshalb Isaak die Stätte seines Brandopfers von dem Baume »Jahwe el olam« bei Beerscheba hinweg zur Orakel-Terebinthe bei Hebron verlegt hatte: in die unmittelbare Nähe der »doppelten Höhle« nämlich, in der er die Vetterstochter und Eheschwester zur Ruhe bestattet hatte und wo über ein kleines auch er selbst, Jizchak, das verwehrte Opfer, nach langer und geschichtenvoller Lebensfrist versorgt und beklagt werden sollte von Jaakob und Esau, seinen Söhnen, damals, als Jaakob gebrochen von Beth-el kam, nach Rahels Tode, mit dem kleinen Mörder, dem Neugeborenen, Ben-Oni = Ben-Jamin ...
    Die Weinlese
    Viermal grünten Weizen und Gerste und wurden gelb auf den Äckern von Schekem, viermal blühten und welkten die Anemonen des Tals, und achtmal hatten die Jaakobsleute Schafschur gehalten (denn Jaakobs gesprenkelten Frühlingen wuchs das Vlies so rasch, wie einer die Hand umdreht, und zweimal das Jahr hatte er reiche Wolle von ihnen: im Siwan sowohl wie auch noch im herbstlichen Tischri): Da geschah es zu Schekem, daß die Einwohner Weinlese hielten und das Fest der Weinlese in der Stadt und an Garizims gestuften Hängen, am Vollmond der Herbsttagesgleiche, da das Jahr sich erneute. Da war nichts als Jauchzen und

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