Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Wiederholung!«
»Denken wir nicht mehr daran! Ich hab’s vertuscht. Man kann bei einer so aufregenden Sache nicht jeden Augenblick die Besonnenheit wahren. Aber sonst, wie war es? Wie hab ich’s gemacht? Hab ich’s leidlich geführt? Hab ich die Gottesgeschichte anständig geschmückt? Hab ich für festliche Einzelheiten gesorgt?«
»Du hast es recht hübsch gemacht, Adôn, wunderhübsch. Es war aber auch eine dankbare Aufgabe.«
»Ja, dankbar. Wer nicht dankbar ist, das bist du. Du bist nicht aus der Ruhe zu bringen und machst nur runde Augen. Wie ich aufstand und sie bezichtigte, war das von wuchtiger Natur? Ich hatte es vorbereitet, man hätte es können kommen sehen, und doch blieb es wuchtig! Und wie der große Ruben sagte: ›Wir erkennen dich in deiner Größe, du aber erkennst uns nicht in unsrer Unschuld‹, war das nicht golden und silbern?«
»Du kannst doch nichts dafür, Adôn, daß er so sagte.«
»Aber ich hatte es darauf angelegt! Und überhaupt bin ich verantwortlich für alle Einzelheiten des Festes. Nein, Mai, du bist undankbar, und ist dir nicht beizukommen, denn du kannst nicht erschrecken. Nun aber will ich dir sagen, daß ich keinesfalls so zufrieden bin, wie ich mich stelle, denn ich hab’s ganz dumm gemacht.«
»Wieso, Adôn? Du hast es reizend gemacht.«
»Eine Hauptsache hab ich dumm gemacht und es gleich selber gemerkt im nächsten Augenblick; nur war’s für diesmal zu spät, es noch zu verbessern. Daß ich neune hier will in Geiselhaft halten und Einer soll ziehen, den Kleinen zu holen, ist ausgemacht ungeschickt und ein viel ärgerer Schnitzer, als daß ich gleich loslachte. Man muß das ändern. Was soll ich machen hier mit den Neunen, da ich die Gotteshandlung nicht fördern kann, solange Benoni nicht da ist und kann sie nicht einmal sehen, da sie ja meines Angesichts verwiesen sind, bis sie ihn vor mich stellen? Das ist pure Stümperei. Sollen sie hier nutzlos im Geiselloch liegen, indes zu Hause kein Brot ist und der Vater hat keine Opfersemmeln? Nein, so soll’s verordnet sein, gerade umgekehrt: Einer bleibt hier als Bürge gefangen, einer, an dem dem Vater weniger liegt, sagen wir von den Zwillingen einer (unter uns gesagt, haben sie sich bei meiner Zerstückelung am allerrohesten aufgeführt), die anderen aber sollen ziehen und Notdurft heimbringen für den Hunger, die sie natürlich bezahlen müssen, – wenn ich’s ihnen schenkte, das wäre gar zu verdächtig. Daß sie den Bürgen im Stich lassen und sich als Kundschafter bekennen allzumal, indem sie ihn opfern und mir den Jüngsten nicht bringen, das glaube ich keinen Augenblick.«
»Aber lange kann’s dauern, lieber Herr. Ich seh es kommen, daß dein Vater ihnen den Ehemann nicht eher zur Reise leiht, als bis das Brot aufgezehrt ist, das du ihnen verkaufen willst, und ihnen wieder die Lampe auszugehen droht. Du nimmst dir Zeit für die Geschichte.«
»Ja, Mai, wie soll man sich nicht Zeit nehmen für solche Gottesgeschichte und sich nicht Geduld zumuten für ihre sorgfältige Ausschmückung! Und wenn’s ein ganzes Jahr dauert, bis sie mit Benjamin kommen, das wäre mir nicht zu viel. Was ist denn ein Jahr vor dieser Geschichte! Dich hab ich doch eigens hineingenommen, weil du die Ruhe selber bist und mir von deiner Ruhe leihen sollst, wenn ich zappelig werde.«
»Das tu ich gern, Adôn. Es ist mir eine Ehre, dabei zu sein. Ich errate auch manches im Voraus, was du tun willst zur Ausgestaltung. Ich denke mir, du hast vor, sie für die Speise zwar zahlen zu lassen, mit der du sie beliefern willst, ihnen aber heimlich, bevor sie reisen, das Geld in die Futtersäcke zu stecken, obenauf, und wenn sie füttern, so finden sie das Bezahlte wieder – einen rätselhaften Stich wird ihnen das geben.«
Joseph sah ihn mit großen Augen an.
»Mai«, sagte er, »das ist ja ausgezeichnet! Das ist ja golden und silbern! Du errätst da etwas und erinnerst mich an eine Einzelheit, auf die ich wohl auch noch gekommen wäre, weil sie natürlich dazu gehört, aber fast hätt’ ich sie übersehen. Nie hätt’ ich gedacht, daß Einer, der nicht erschrecken kann, sich etwas so wunderlich Schreckhaftes ausdenken könnte.«
»Ich würde nicht erschrecken, Herr; aber sie werden.«
»Ja, auf rätselhaft-ahnungsvolle Weise. Und werden spüren, daß da Einer ist, der’s freundlich mit ihnen meint und der sie foppt. Besorge das sorglich, es steht schon so gut wie geschrieben! Ich binde dir’s ein: Du praktizierst ihnen fein die
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