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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nämlich unerhört. Wir fragen dich höflich, doch ernstlich: Was dünkt dich von uns? Ist es der Eindruck von Stromern und Schnapphähnen, den wir auf dich machen? Oder was sonst für ein Eindruck mag es wohl sein, daß du kommst und durchblicken läßt, wir hätten Edelgeschirr vom Tische des Markthalters beseitigt, einen Becher, so scheint es, und hätten lange Finger danach gemacht? Das ist es, was ich unerhört nenne im Namen von Elfen. Denn wir sind alle feierlich eines Mannes Söhne, und eigentlich zwölf. Nur, Einer ist nicht mehr vorhanden, sonst würd’ ich’s unerhört nennen auch in seinem Namen. Du sprichst, wir hätten übel getan. Nun denn, ich prahle nicht und berühm’ uns Brüder nicht scheinheilig, wir hätten nie übel getan und wären durchs rauhe Leben gekommen ganz ohne Übeltat. Nicht unschuldig nenn’ ich uns, es wäre Frevel. Es gibt aber auch eine Würde der Schuld, die hält auf sich, mehr vielleicht noch, als Unschuld, und silberne Becher zu mausen ist nicht ihre Sache. Gereinigt haben wir uns vor deinem Herrn, mein Herr, und ihm bewiesen, daß wir mit Wahrheit umgehen, indem wir den Elften brachten. Gereinigt haben wir uns vor dir, denn das Kaufgeld, das wir in unseren Säcken gefunden obenauf, das haben wir dir wiedergebracht aus dem Lande Kanaan und es dir dargeboten auf flachen Händen, du aber wolltest es nicht. Solltest du nach diesen Erfahrungen nicht anstehen und dich nicht bedenken, ehe du kommst und uns bezichtigst, wir hätten uns Silbers angenommen oder Goldes vom Tisch deines Herrn?«
    Ruben aber setzte überkochend hinzu:
    »Warum antwortest du nicht, Haushalter, auf diese vorzügliche Rede meines Bruders Jehuda, sondern ziehst nur den Winkel deines Mundes noch fester an, auf unerträgliche Weise? Hier sind wir. Suche unter uns! Und bei wem es gefunden wird, dein elendes Silbergerät, dieser Becher, der sei des Todes. Wir übrigen aber, alle dazu, wollen dir Knechte sein, lebenslänglich, wenn du ihn findest!«
    »Ruben«, sprach Juda, »schieße nicht so dahin! Bei unserer völligen Reinheit in diesem Punkt braucht es nicht solche Verschwörungen.«
    Mai-Sachme aber versetzte:
    »Richtig, wozu das Gesprudel? Wir wissen Maß zu halten. Bei wem ich den Becher finde, der sei uns als Knecht verfallen und bleibe in unseren Händen. Ihr anderen aber sollt ledig sein. Öffnet, wenn ich bitten darf, eure Säcke!«
    Das taten sie schon. Sie waren nur so nach ihrem Pack gerannt, konnten es nicht schnell genug von den Eseln bringen und rissen den Säcken die Mäuler auf, sperrangelweit. »Laban!« riefen sie lachend. »Laban, der da sucht auf dem Berge Gilead! Ha, Ha! Er schwitze nur und suche sich halb zu schanden! Zu mir, Herr Haushalter! Bei mir zuerst gesucht!«
    »Nur ruhig«, sagte Mai-Sachme. »Alles wie sich’s gehört und nach der Reihenfolge, so, wie mein Herr eure Namen zu nennen wußte. Beim großen Strudelkopf fang’ ich an.«
    Und unter ihrem Gespött, das immer sieghafter ward, je weiter er kam unter ihnen, und wobei sie ihn immerfort Laban nannten, den schwitzend suchenden Erdenkloß, unter lautem Gelächter, ging er von einem zum anderen nach ihrem Alter und kramte in ihrem Kram, stand gebückt und äugte, die Arme eingestemmt, in ihre Säcke, schüttelte auch wohl den Kopf oder zuckte die Achseln, wenn er beim Wühlen hier und beim Graben dort nichts fand, und ging zum Nächsten. So kam er zu Ascher, zu Issakhar, kam zu Sebulun. Da war nichts Gestohlenes. Zu Rande kam er mit seinem Suchen. Nur Benjamin war noch übrig.
    Da spotteten sie noch lauter.
    »Jetzt sucht er bei Benjamin!« riefen sie. »Da wird er Glück haben! Beim Aller-Unschuldigsten sucht er jetzt, der nicht nur in diesem Punkte unschuldig ist, sondern unschuldig überhaupt, und nie im Leben eine Übeltat auf sich geladen hat! Aufgepaßt, das ist sehenswert, wie er zum Schlusse bei dem herumsucht, und neugierig sind wir, welche Worte er finden wird, wenn er ausgesucht hat, um sich bei uns – – –«
    Sie verstummten auf einen Schlag. Man sah es blinken in des Haushalters Hand. Aus Benjamins Futtersack, nicht sehr tief aus dem Korn hervor, hatte er den silbernen Becher gezogen.
    »Da ist er«, sagte er. »Beim Kleinsten ist er gefunden. Ich hätte umgekehrt anfangen sollen, so hätte ich mir viel Mühe und Spott erspart. So jung und bereits so diebisch! Natürlich freue ich mich, das Stück wieder aufgetrieben zu haben; doch arg verbittert wird mir die Freude durch die Erfahrung so früher

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