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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Mutwillen geübt mit seiner Mutter. Cham ist er, schwarz von Angesicht und geht nackend mit bloßer Scham, denn wie der Chaosdrache hat er sich aufgeführt und sich benommen nach der Sitte des Hippopotamus. – Hörst du, meine erste Macht, was ich dir nachsage? Sei verflucht, mein Sohn, verflucht unterm Segen! Dir ist genommen das Vorrecht, entzogen das Priestertum und aufgekündigt die Königsherrschaft. Denn du taugst nicht zur Führung, und verworfen ist deine Erstlingsschaft. Überm Laugenmeer wohnst du und grenzest an Moab. Deine Taten sind schwächlich und deine Früchte unbedeutend. Dank dir, mein Größester, daß du mutig zuhauf kamst und dich tapfer dem Spruche stelltest. Einem Herdenturm gleichst du und trittst einher auf Beinen wie Tempelsäulen, weil ich so gewaltig und mannhaft meine erste Kraft ausschüttete im Wahn der Nacht. Väterlich sei verflucht und leb wohl!«
    Er schwieg, und der alte Ruben trat zurück in die Schar, alle Muskeln seines Gesichts in grimmer Würde angezogen, mit niedergeschlagenen Augen nach Art seiner Mutter, wenn sie mit den Lidern ihr Schielen verhüllte.
    »Die Brüder!« forderte Jaakob nun. »Die Zwillingssöhne, unzertrennlich am Himmel!«
    Und Schimeon und Levi beugten sich über. Sie waren auch schon siebenund sechsundsiebzig (denn Zwillinge waren sie garnicht, nur unzertrennlich), hatten sich aber ihr raufboldhaftes Ansehen so weit wie irgend möglich bewahrt.
    »O, o, die Gewaltigen, die Eingefärbten, die Narbenleiber!« sagte der Vater und rückte ab, indem er tat, als fürchtete er sich vor ihnen. »Sie küssen die Geräte der Gewalt, ich will nichts wissen von ihnen. Ich liebe das nicht, ihr Wüsten. Meine Seele komme nicht in ihren Rat und meine Ehre habe nichts gemein mit der ihren. Ihre Wut hat den Mann erschlagen und ihr Mutwillen am Stiere gefrevelt, dafür traf sie der Fluch der Beleidigten, und verhängt war ihnen Untergang. Was habe ich ihnen gesagt? Verflucht sei ihr Zorn, daß er so heftig und ihr Grimm, daß er so störrisch ist! Das habe ich euch gesagt. Seid verflucht, meine Lieben, verflucht unterm Segen. Getrennt sollt ihr sein und voneinandergenommen, daß ihr nicht Unfug übt mitsammen für und für. Sei zerstreut in Jaakob, mein Levi! Dein sei ein Los und Land immerhin, starker Schimeon, aber ich sehe, es ist nicht eigenständig und gehet auf in Israel. In den Hintergrund sei geordnet, Doppelgestirn, nach des Segnenden Sterbehellsicht! Tretet zurück!«
    Das taten sie, ziemlich unerschüttert von ihrem Spruch. Sie wußten ja längst Bescheid und hatten keinen besseren erwartet. Auch daß er in öffentlicher Feier vor aller Ohren noch einmal ausdrücklich gefällt wurde, machte ihnen nichts aus, denn ohnedies wußten alle Bescheid, und »Israel« blieben sie jedenfalls, – ihre Verwerfung geschah unterm Gesamtheitssegen. Zudem waren sie, mit der ganzen Hörerschaft, durchdrungen davon, daß Verworfenheit eine Rolle ist wie eine andere und ihre eigene Würde hat: Jeder Stand ist ein Ehrenstand, das war ihre Auffassung und die aller Übrigen. Außerdem noch war klar und deutlich, daß der Vater teilweise garnicht von ihnen gesprochen hatte, sondern vom Sternbild der Zwillinge. Teils aus eingeborenem Hang zum Bedeutenden, teils in der Verwirrung, die die Schwäche erzeugt und der er feierlich nachgab, eben aus Liebe zum Bedeutenden, hatte er sie mit den Gemini stark durcheinandergebracht und babylonische Erinnerungen hineingemischt, die allen, selbst den Knaben auf den Kommoden, bekannt waren. Offenkundig und geflissentlich hatte er sie zeitweise mit Gilgamesch und Eabani aus dem Liede verwechselt, so grimmig und zornig um ihrer Schwester willen, die den Himmelsstier zerstückelt hatten und ob dieses Frevels von Ischtar verflucht worden waren. Sie selbst hatten zu Sichem, der Stätte Schekem, wo sie allerdings schwer getobt hatten, sich um Stiere garnicht besonders gekümmert und erinnerten sich nicht, einen gelähmt zu haben; nur Jaakob hatte es von Anfang an und jedesmal, wenn er auf die Sache zurückkam, mit dem Stiere gehabt. Kann man aber ehrenvoller verflucht werden, als indem man mit den Dioskuren und mit Sonne und Mond verwechselt wird? Das ist eine Verwerfung, die man sich auch vor großem Publikum gefallen lassen kann, und sie trifft einen nur halb persönlich; zur anderen Hälfte ist sie ein sterbeträumerisches Gedankenspiel.
    Es ist besser, hier gleich zu sagen, daß sternenkundige Bedeutsamkeit und Anspielungen sich wiederholt in

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