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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Räucherinnen des Baal, Weiber Esau’s nebst eurer Brut, meiner Lenden Frucht! Esau’s Stunde ist da. Segnen will der Herr seinen Sohn noch heute! In Steppe und Flur schickt mich Isaak, daß ich ihm mit dem Bogen ein Essen schaffe zur Stärkung um meinetwillen! Fallet nieder!«
    Und während die Nächsten, die es hörten, aufs Angesicht fielen, sah Esau eine Magd rennen, daß ihr die Brüste hüpften.
    Das war die Magd, die der Rebekka kurzatmig meldete, wessen Esau sich gerühmt. Und wieder diese Magd kam, ganz ohne Atem vom Hin- und Herlaufen, zu Jaakob, der in Gesellschaft eines spitzohrigen Hundes namens Tam die Schafe hütete und gelehnt auf seinen langen, oben gebogenen Stab in Gottesgedanken stand, und keuchte, die Stirn im Grase: »Die Herrin – –!« Da sah Jaakob sie an und antwortete nach längerer Pause sehr leise: »Hier bin ich.« Während der Pause aber hatte er in seiner Seele gedacht: »Jetzt geht es an!« Und seine Seele war voller Stolz, Grauen und Feierlichkeit.
    Er gab seinen Stab dem Tam zu bewachen und ging hinein zu Rebekka, die schon in Ungeduld seiner wartete.
    Rebekka, Sarai’s Nachfolgerin, war eine Matrone mit goldenen Ohrringen von stattlicher, starkknochiger Gestalt und großen Gesichtszügen, welche noch viel von der Schönheit bewahrten, die Abimelek von Gerar einst in Gefahr gebracht. Der Blick ihrer schwarzen Augen, zwischen deren hochgewölbten, mit Bleiglanz ebenmäßig nachgezogenen Brauen ein Paar energischer Falten stand, war klug und fest, ihre Nase von männlich kräftiger Ausbildung, starknüstrig und kühn gebogen, ihre Stimme tief und volltönend und ihre Oberlippe von dunklen Härchen beschattet. Ihr Haar, in schwarzsilbrigen in der Mitte geteilten Locken sich dicht in die Stirn drängend, war verhüllt von dem braunen Schleiertuch, das ihr lang über den Rücken hinabhing, und ihre bernsteinbräunlichen Schultern, an deren stolze Rundung die Jahre so wenig noch gerührt hatten wie an die edel geformten Arme, waren bloß vom Schleier, wie von dem gemusterten, ungegürteten, bis zu den Knöcheln reichenden Wollkleide, das sie trug. Ihre kleinen, hochgeäderten Hände hatten noch kürzlich mit rasch verbesserndem Tadel zwischen die der Weiber gegriffen, welche, zu seiten des Webstuhles hockend, dessen Bäume im Freien an den Boden gepflockt waren, mit Fingern und Hölzern die flächsernen Querfäden durch die längsgespannten gezwängt und gedrängt hatten. Aber sie hatte die Arbeit unterbrechen lassen, die Mägde fortgeschickt und erwartete den Sohn im Innern ihres Herrinnenzeltes, unter dessen härenem Gehänge und auf dessen Matten sie dem verehrend Eintretenden mit raschen Mienen entgegenkam.
    »Jekew, mein Kind«, sagte sie leise und tief und zog seine erhobenen Hände an ihre Brust. »Es ist an dem. Der Herr will dich segnen.«
    »Mich will er segnen?« fragte Jaakob erbleichend. »Mich, und nicht Esau?«
    »Dich in ihm«, sagte sie ungeduldig. »Keine Spitzfindigkeiten! Rede nicht, klügle nicht, sondern tu, wie man dich heißt, damit kein Irrtum geschieht und kein Unglück sich ereignet!«
    »Was befiehlt mein Mütterchen, von dem ich lebe, wie zu der Zeit, als ich in ihrem Leibe war?« fragte Jaakob.
    »Höre!« sagte sie. »Er hat ihn geheißen, ein Wild zu erlegen und ihm ein Essen davon zu bereiten nach seinem Geschmack, damit er sich stärke zum Segen. Das kannst du schneller und besser. Sofort geh zur Herde, nimm zwei Böcklein, tu sie ab und bring sie mir her. Aus dem besten davon mach ich dem Vater ein Essen, daß er dir nichts soll liegenlassen. Fort!«
    Jaakob geriet ins Zittern und hörte nicht auf, zu zittern, bis alles vorüber war. In gewissen Augenblicken hatte er größte Mühe, das Klappern seiner Zähne zu bemeistern. Er sagte:
    »Barmherzige Mutter der Menschen! Wie einer Göttin Wort ist jedes deiner Worte für mich, aber was du sagst, ist furchtbar gefährlich. Esau ist haarig überall, und dein Kind ist glatt mit geringen Ausnahmen. Wenn nun der Herr mich begriffe und fühlte meine Glätte: wie stünde ich vor ihm? Genau, als hätte ich ihn betrügen wollen – und hätte seinen Fluch auf dem Halse statt des Segens, ehe ich’s gedacht.«
    »Klügelst du alsobald schon wieder?!« herrschte sie ihn an. »Auf mein Haupt den Fluch. Ich sorge. Hinweg und die Böcklein her. Ein Mißgriff geschieht ...«
    Er lief schon. Er eilte zum Berghang, nicht fern vom Lager, wo die Ziegen weideten, griff zwei Kitzen, im Frühling geboren, die um die Geiß

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